Gustav Schwab                       Die Gesänge

1792 – 1850

Oft im Gewitter, Trübes mir zu schönen,

Erhuben sich die Göttinnen des Sanges,

Der Donner hallte fürchterlichen Klanges:

Es war der Ode mächtig kühnes Tönen.

 

Die Elegie erschien in Himmelstränen;

Der Regen tropfte ernst herab durch banges

Gewölk, ein Bild sehnsüchtig weichen Dranges:

Des Liedes Sonne stillte bald sein Sehnen.

 

Da sah ich zart gewölbt, in lichter Bläue,

Von Regen eine Mischung und von Sonne,

Im Farbenschmelz den Regenbogen wallen.

 

Ob auch ein ferner Donner rollend dräue,

Sein Arm umfasset Berg und Tal in Wonne:

So lächelt tröstlich das Sonett vor allen

 

 

 

 

 

                                                              

 

 

 

Gustav Schwab                       Sonett aus dem Bade

1792 – 1850

O Mond, wie leget sich so schön und breit,

Viel weicher als auf Gassen und Paläste,

Um diese Berge, diese vollen Äste,

Auf dieses Gras dein lichtgesponnen’ Kleid!

 

O Mond, o Sonne der Vergangenheit!

Wie dringst du auch in meines Busens Feste,

Wie wirfst du Glanz und Schatten auf die Reste

Von Lebensträumen ferner Jünglingszeit.

 

Aus diesen Trümmern hebt sich leis empor

Im Strahl der Nacht ein Lilienangesicht

Mit blauer Augen frischem Perlentaue.

 

Ein altes Jugendlied rauscht mir ans Ohr,

Mir flüstert’s ein verklungenes Gedicht,

Daß ich der frühen Lieb’ ins Antlitz schaue.

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Irrthum

1792 – 1850                                        (An Sophie)

 

Du fandest mich um alte Liebe klagen,

Dein freundlich Auge sah mich tröstend an;

Wie bald genas ich von dem finstern Wahn,

Und sah in dir die neue Hoffnung tagen!

 

Ich hörte dich so milde Worte sagen,

Ich sah mitleidig meinem Schmerz dich nahn,

Von dir hofft’ ich mein Heil neu zu empfahn,

Und glücklichere Liebe wollt’ ich wagen.

 

Und du nun selbst, die mich zuerst ermuthet,

Zu freundlichem Vertrauen mich bewogen,

Du stöß’st dies Herz zurück, seit dir es schlägt?

 

Den Balsam, den du lindernd aufgelegt,

Hast du der halbgeheilten Wund’ entzogen,

Und siehst nun ruhig, wie sie doppelt blutet.

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Weiblichkeit

1792 – 1850

An dünnen Fäden lieblich aufgesaitet

Hängt eine Leier unter Blumenduft,

Es braus’t der Sturm hervor aus seiner Kluft,

Der Felder mäht und mit den Eichen streitet.

 

Du schwache Leier, dir ist Tod bereitet,

Wie magst du trotzen keck in freier Luft?

Doch horch, mit bangen Klagetönen ruft

Sie schon dem Sturme, der gewaltig schreitet!

 

Jetzt rührt er an die Saiten, voll erklingen

Und voller sie; doch ist nicht Flehn ihn Laut:

Ein selig Brautlied singen sie dem Winde.

 

So weißt auch du des Mannes Sturm zu zwingen;

Wild ist sein Hauch; doch löset er gelinde

In deinen Ton sich auf, du zarte Braut!

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Erdenkrieg und Himmelsfrieden

1792 – 1850

Es blickt der Erden Antlitz unverdrossen

Jahrtausende hinauf zur Himmelsau’,

Hinein in’s friedlich unbefleckte Blau;

Und hat doch tausend Ströme Bluts vergossen.

 

Der Aether hält die Kämpfende umschlossen,

Die Winde säuseln „Ruhe“ lind und lau,

Und auf das dunkle, wildempörte Gau

Kommt Sonn- und Mond- und Sternenschein geflossen.

 

Wann, Erde, wirst du ruhn von deinen Kriegen,

Und wann, antwortend, deines Himmels Blicken

Ein freundlich friedlich Aug’ entgegenschicken?

 

Wo nicht, so kehr’ dein Angesicht vom Himmel,

Im Glanz der Hölle lichte dein Getümmel,

Und laß in ihrem Arm dich drunten wiegen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Auf eine Landkarte der Schweiz

1792 – 1850

Das ernste Land mit seinen Felsenstegen,

Abgründen, Bergesriesen, eis’gen Zinnen,

Es drängte meinen wanderlust’gen Sinnen

Auf diesem Blatte fruchtbar sich entgegen.

 

Wer schützet mich auf den umdrohten Wegen,

Verbeut dem Schnee, jäh vom Gebirg’ zu rinnen,

Und wird mir hell, kann ich die Höh’n gewinnen,

Das Wunderland zu meinen Füßen legen?

 

Da mahnt es mich, daß auch mein süßes Leben

All’ diese Berg’ und Thäler jüngst durchzogen:

Schnell hab’ ich neu die Karte durchgeflogen.

 

Wie hell und freundlich alle Klüft’ und Höhen,

Um die der Liebe Morgenschimmer wehen!

O nur hinein, ist denn der Weg nicht eben?

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       An einen Greis

1792 – 1850

Ein halb Jahrhundert lang hast du geleeret

Des Weines und der Liebe Freudenbecher;

Muthwillig Liebender, unmäß’ger Zecher,

Zum Maaß hat dich das Alter erst bekehret.

 

Doch bleibest du, wo Traubenflor dich nähret,

Wo Mädchenblüth’, ein lobeswarmer Sprecher,

Die Flamme brennt nur ruhiger, nicht schwächer,

Ein Feuer, das nur wärmt und nicht verzehret.

 

So wird, was einst mißfiel an dir, zur Zierde,

Als Jugend lebt’s in deinen alten Tagen;

Vergebe dir der Himmel deine Fehle:

 

Uns Menschen rührt so friedliche Begierde,

Der groben Hülle hat sie sich entschlagen

Und wandelt nun als Geist durch deine Seele.

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Maria mit dem todten Jesus auf dem Schooße

1792 – 1850

„So hielt ich dich, ein zartes Kind, umfangen,

Das erste Lächeln blüht’ auf deinem Munde,

Und sanft gehoben aus des Herzens Grunde

Trat das Blut erröthend in die Wangen!

 

Sie sind erbleicht, ihr junges Blut vergangen,

Und strömt versöhnend aus der Seitenwunde,

Das letzte Lächeln stirbt auf deinem munde,

In deinem Blick das himmlische Verlangen!

 

Und mitten doch in allem Weh und Leide,

In deinen Schmerzensanblick tief verloren,

Quillt mir ein sanftes Licht in meinem Herzen;

 

Es faßt mich eine mütterliche Freude,

Mir ist, als hätt’ ich dich in süßen Schmerzen

Jetzt eben erst für’s Heil der Welt geboren!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Deutschheit

1792 – 1850

Sie tönen alle laut in mir zusammen,

Die reinen Hymnen vaterländ’scher Dichter;

In meinem deutschen Herzen wird es lichter:

Nicht schäm’ ich mich, von solchem Volk zu stammen.

 

Ob auch erloschen seines Muthes Flammen,

Doch immer aus geweihten Klängen spricht er;

Es hält der Kraft Ermunterer und Richter,

Der Dichtung Geist, die Seelen noch beisammen.

 

So schallet über die gefällten Eichen

Und über des gestürzten Haines Trümmer

Der Vögel lieblicher Gesang noch immer.

 

Sie sangen ihre heil’gen Grabeslieder

Auf die gefall’nen Riesenstämme nieder

Und Wiegensang den neu aufblüh’nden Zweigen.

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Erinnerung

1792 – 1850

O Mond, wie leget sich sio schön und breit,

Viel weicher als auf Gassen und Paläste,

Um diese Berge, diese vollen Äste,

Auf dieses Gras dein lichtgespanntes Kleid!

 

O Mond, o Sonne der Vergangenheit!

Wie dringst du auch in meines Busens Veste,

Wie wirst du Glanz und Schatten auf die Reste

Von Lebensträumen ferner Jünglingszeit.

 

Aus diesen Trümmern hebt sich leis’ empor

Im Strahl der Nacht ein Lilienangesicht

Mit blauer Augen frischem Perlenthaue.

 

Ein altes Jugendlied rauscht mir an’s Ohr,

Mir flüstert’s ein verklungenes Gedicht,

Daß ich der frühen Lieb’ in’s Antlitz schaue.

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       An eine Weinende

1792 – 1850

Von Sphären weiß ich, die in lichten Kreisen

Die Luft durchwandelnd überschwänglich klingen,

Doch kann ihr Klang nur zu den Ohren dringen,

Die wohl vertraut sind mit des Himmels Weisen.

 

Ich selbst vernahm in stiller Nacht den leisen

Nachklang schon oft, wie ferner Saiten Schwingen;

Mir war, als sängen sie von ew’gen Dingen,

Als hört’ ich Gott und seine Wunder preisen.

 

Doch weiß ich auch hienieden lichte Sphären,

Dem ew’gen Born der Seligkeit entquollen,

In unnennbaren Harmonieen klingend:

 

Es sind die hellen ahnungsvollen Zähren,

Die, Liebenden nur hörbar, Liebe singend,

Durch deiner Augen blauen Himmel rollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Nachtklage

1792 – 1850

Ein holder Jüngling, sagen uns die Alten,

Erscheint allnächtlich an der Ruhestätte,

Er neigt sich sinnbethörend über’s Bette,

Still weiß er mit des Mohnes Kraft zu walten.

 

Das ist der Schlaf, er glättet alle Falten,

Zerreißt des Lebens ew’ge Bilderkette,

Und, daß er von des Tags Getrieb’ uns rette,

Führt er den Reigen süßer Traumgestalten.

 

Ich sah ihn lange nicht, es naht statt seiner

Ein ander Bild mir schon seit vielen Nächten,

Ein holdes Mägdlein ist es anzusehen.

 

Doch nicht erbarmt es, wie der Schlaf sich meiner,

Und lächelt’s gleich aus dunklen Lockenflechten,

In Angst und Liebesschmerz muß ich vergehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Antwort an einen jungen Dichter

1792 – 1850

 

I.

 

Daß du bei Sinnengluth und Witzesgaben

Und Phantasie, in fremder Form Gewand,

Entbehren glaubst zu können den Verstand,

Und Geist, Bethörter, wähntest schon zu haben,

 

Mein Hohn wird sich daran fürwahr nicht laben;

Mich dauert’s, wenn ein anvertrautes Pfand

Verschleudert wird in Uebermuth und Tand,

Und wenn ein junges Roß zu Tod’ will traben.

 

Auch hoff’ ich’s ja, du lernst dereinst erkennen

Die Schranke deiner Kraft und wirst, geschult,

Mit Lust und ernst auf rechter Bahn dich treiben:

 

Doch Andrer Freundschaft kann für dich entbrennen,

Erst wenn dein Ich nicht mit sich selbst mehr buhlt:

So lang’ lass’ uns geschied’ne Leute bleiben.

 

 

II.

 

Was thu ich, deine Thorheit auszureuten!

Der ernst, ich weiß es, nicht ist er für Alle,

Auch du sprichst redlih, daß er dir mißfalle;

So laß’ dir mit der Schellenkappe läuten!

 

Ich will dein Herz mit einem Gleichniß deuten:

Mir kommt es vor, wie eines Gasthofs Halle;

Das Haus ertönt von mannichfachem Schalle,

Von Herrn und Knechten, Dirnen wallt’s und Bräuten.

 

Und ausgehängt als Schild hast eine Sonne

Von blankem Blech, die Lust da drein zu malen,

Herbei zu locken vieler Zecher Schwärme;

 

Dann einmal über’s andre rufst du: Wonne!

Legst drunter dich, als ob sie leucht’ und wärme,

Ja, pflegt ein Blumenbeet mit ihren Strahlen.

 

 

III.

 

Das ist doch Hohn! das gleicht doch bitterm Spotte!

Ja, mein Versprechen hab’ ich schlecht gehalten,

Du kennst der Laune tückische Gewalten,

Sie spornt das Flügelpferd oft aus dem Trotte.

 

Doch spotte du der Spöttereien Rotte!

Denn hast du rechte Schätze zu verwalten,

Die fürchten keines Witzes Spukgestalten,

Und liegen, wo nicht Rost sie frißt noch Motte.

 

Geh’, nimm dir ein Sonett aus diesem Horte,

Fein, stolz, gedankenreich, mit gift’ger Spitze!

Schnell’ ab vom Bogen seine goldnen Worte!

 

Hier steh’ ich, Freund, und meine Brust ist offen.

So waffne dich doch nur mit einem Blitze.

Wie will ich jubeln, wenn ich bin getroffen!

 

 

IV.

 

Zu guter letzt’: - O wolltest du doch hören!

Könnt’ ich mit meinem Ernst, mit meinen Scherzen,

Die beide quellen aus gleich warmem Herzen,

Dich in dem Thum, dem unheilvollen, stören!

 

O hätt’ ich Einen doch von jenen Chören,

Die Geister bei der Auferstehung Kerzen

Hineingesungen in die tiefsten Schwärzen

Der Seele Faust’s, den Wahnsinn zu beschwören!

 

Schon setzt er an die giftgefüllte Schale,

Da klingt es leise mit den Engelszungen,

                                                               Er hält, er horcht, und seine Thränen fließen.

 

Du auch, du sitzest schon bei’m Götzenmahle,

und Gift ist’s, was du gierig willst genießen –

O würd’ ein Lied von Engeln dir gesungen!

 

 

 

 

 

Gustav Schwab                       Vorzeichen

1792 – 1850

Oft, wenn ich einen langen Tag verloren,

Mit sehnsuchtsvollem Harren, eitlem Hoffen,

Nicht auf den trauten Wegen Sie getroffen

Und Liebe, Götter, Glück umsonst beschworen:

 

Tritt nachts der Traum still zu dem armen Toren

Und gibt ihm, was er nie gewagt zu hoffen,

Zeigt ihm der Liebe ganzen Himmel offen,

Und flüstert Schwür ihm in die trunknen Ohren.

 

Nun heute war mein Schlaf so leer und öde,

Mir träumte nur von ewigem Weh und Sehnen,

Ich sah kein Bild, noch hört ich süße Rede:

 

Drum hoff ich, wach, heut alles Glück zu finden.

Sonst trocknet mir der Traum des Tages Tränen:

Heut wird im Tag des Traumes Leid verschwinden