Joseph Seeber                         Kreuzesfrühling

1856 – 1919

O welch ein Sehnen, welch ein Frühlingsbangen,

Ein Leuchten wie vom Paradiesesglanze:

O schau ihn hier, den Frühling selbst, im Kranze

der Rosenwunden an dem Kreuze hangen!

 

Und weil die Nägel tief und tiefer drangen

In Hand und Fuß und in sein Herz die Lanze,

des ist der Weltenfrühling uns, der ganze,

Am Baum des Lebens leuchtend aufgegangen.

 

was willst du, Seele, traurig dich gebärden?

O wirf die Sorgen weg, sei frischen Mutes,

Erstarre nicht im Winterfrost auf Erden!

 

Du bist ja im besitz des höchsten Gutes:

Es darf in dir nicht wieder Winter werden

Nach diesem Rosenfrühling seines Blutes.