Torsten Staude                       Heidnischer Sonettenkranz

*1969                                                    oder

© beim Autor                                       Von Bekehrung, Inquisition und anderen christlichen Heldentaten

 

 

I. Der Inquisitor

 

In des Hexenhammers blutigem Schatten,

Genießt er es, seine Macht zu beweisen,

Seinen kranken Wahn mit Morden zu speisen,

Die Sinn und Zweck weder haben, noch hatten.

 

Als der Schrecklichste unter all den Ratten,

Die sich um das Habe der Opfer reißen,

Parasitengleich in deren Fleisch beißen,

Wird seine Begierde niemals ermatten.

 

Unmündige Kinder, schwächliche Greise,

Und unschuldige Menschen sonder Zahl

Dringen schwer in sein Gewissen hinein.

 

Doch was man nicht hat und verdrängt mit Fleiße,

Wird wahrlich auch nimmer zur Seelenqual.

Der grausam’ Höllenfürst ist er allein.

 

 

 

II. Der Scharfrichter

 

Der grausam’ Höllenfürst ist er allein,

Als Richter über die Länge der Leiden,

Die seine Künste dem Opfer bereiten,

Als schamloser Herr über Qual und Pein.

 

Mächtig müssen seine Schwerthiebe sein,

Um die Köpfe von den Rümpfen zu schneiden,

Die polternd das Urteilende verbreiten,

Vom Gesetz diktiert doch kalt und gemein.

 

In seinem für Geld und Ansehen wandeln,

Sind Milde, Ehrfurcht und Großmut gestorben,

mit denen sich letztlich nur Narren schminken.

 

Und durch sein blindes und williges Handeln,

Von den kirchlichen Machthabern verdorben,

Reformer und Gegner gleichsam versinken.

 

 

 

III. Der Pfaffe

 

Reformer und Gegner gleichsam versinken,

Weil seine Lügen, wie giftige Spritzen,

Die ach so frommen Gemüter erhitzen,

Ihren einfachen Verstand listig linken.

 

Und obwohl seine Knöpfe golden blinken,

Seine Ringe im Sonnenlichte blitzen,

Sollen and’re für diesen Wohlstand schwitzen

Und hungernd über dessen Felder hinken.

 

Um sich den letzten Pfennig zu erschleichen,

Harte Worte von seiner Kanzel eilen,

Die dem Volke die Hölle prophezeien.

 

Der Betuchte jedoch und seinesgleichen

Läßt sich die Absolution erteilen,

Wohl kann er sich von den Sünden befreien.

 

 

 

IV. Der Ablaß

 

Wohl kann er sich von den Sünden befreien,

Der, der sein Leben als Räuber verdingt,

Plündernd in wildfremde Häuser eindringt,

Und die, die sich nur dem Verderben weihen.

 

Und lang sind die der Bemittelten Reihen,

Denn sowie das Geld im Blechkasten klingt,

Die Seele aus dem Fegefeuer springt,

Habsucht läßt die Kirche alles verzeihen.

 

Und so verschwinden Empörung und Wut

Über all die gotteslästernden Reden,

Ein dicker Ablaß läßt dieses gestatten.

 

Den Hungerleider, ohne Hab und Gut,

Der einzig vergaß des nächtens zu beten,

Läßt man jedoch unter’m Schafott bestatten.

 

 

 

V. Die Ketzer

 

Läßt man sie doch unter’m Schafott bestatten

Und in ungeweihter Erde begraben,

Die, die sich gänzlich dem Teufel hingaben,

Um das Reiche Gottes zu überschatten.

 

Denn sie werden Frau und Jungfer begatten,

Sich an dem nächtlichen Incubus laben,

Und dem Alten und dem kindlichen Knaben

Einem verderblichen Besuch abstatten.

 

Und sie werden, ohne Skrupel und Gnaden,

Das schwere Messer der Verdammnis wetzen,

Um dem Frommen allein das Fell zu gerben.

 

Dennoch sind jene entlarvenden Taten

Ausschließlich Bestandteil kirchlicher Hetzen,

Gehüllt in ein Gewand aus blut und Scherben.

 

 

 

VI. Die Miliz Christi

 

Gehüllt in ein Gewand aus Blut und Scherben

Sind jene, die sich Familiare nennen

Und brav alles meucheln und niederbrennen,

Sich dadurch ein höheres Amt erwerben.

 

Ihre Gelüste, die die Menschheit kerben,

Sie in entbehrlich und nutzbringend trennen,

Lassen keine Gewissenslast erkennen,

Den eigens Denunzierten zu beerben.

 

Ermutigt zu Verrat und Spionage

Können sie nun jene Leben zerstören,

Die dem Machthungrigen im Wege stehen.

 

Und so drängen sich Edelmann und Page,

Dem Ketzergericht selbst anzugehören,

Um letzt einer Anklage zu entgehen.

 

 

 

VII. Die Beichte

 

Um letzt einer Anklage zu entgehen,

Weil Beweise schwer auf die schultern drücken,

Die Geistlichen höchstselbst den Beichtstuhl schmücken,

Bußfertig nunmehr um Vergebung flehen.

 

Jedoch sind deren lüsternde Vergehen

Einzig Gegenstand von tadelnden Blicken,

Sah man sie ja, mit Wollust und Entzücken,

Nur hinter dem Ministranten herspähen.

 

Der Christlichen Kirche die Beichte nehmen,

Hieße ihr leidvoll die Augen ausstechen,

Ihren heimtückischen Feldzug erschweren.

 

Möcht’ sie doch bloß den Querulanten zähmen

Und herrisch den Andersdenkenden brechen,

Auch wider aller religiösen Lehren.

 

 

 

VIII. Die Kirche

 

Und wider aller religiösen Lehren

Wird ehern auf Unterwerfung gedrungen,

Durch Versprechen nur und Drohung erzwungen,

Mit dem Ziel, die ganze Welt zu bekehren.

 

Mit grausigen Lügen und finst’ren Mären

Wird um den kleinsten Geldbeutel gerungen,

Die Kleriker sind ihre Hirtenjungen

Und das Volk die dicken Schafe zum scheren.

 

Nur sie ganz allein darf die Bibel deuten

Und unbarmherzig über Menschen walten,

Die frei zu denken und sprechen es wagen.

 

Obgleich ihre Diener nur Zeit vergeuden,

Den einzelnen dumm und naiv zu halten,

Progreß und Bildung doch empfindlich plagen.

 

 

 

IX. Der Bischof

 

Progreß und Bildung ihn empfindlich plagen,

Weil sie den Unmut der Menschen beleben,

Die zögernd noch ihre Stimmen erheben

Und wütend jene Hierarchie anklagen.

 

Doch er läßt Hufeisen verkehrt aufschlagen,

um sich den trügerischen Schein zu geben,

Unaufhaltsam nur nach vorne zu streben,

Obwohl sie ihn alleinig rückwärts tragen.

 

Das nach festem Wohlstand Gieren und Hecheln,

Läßt manchen Pfaffen zur Bestie mutieren,

Um siegreich in den Bischofsstuhl zu sinken.

 

Und so sehen diese, mit kaltem Lächeln,

Wie ihre Vorgänger im Kerker frieren,

Oder aus dem giftigen Kelche trinken.

 

 

 

X. Der König

 

Oder aus dem giftigen Kelche trinken,

Kann des Monarchen Schicksal werden,

Will er die Inquisition gefährden,

Weil deren Untaten zum Himmel stinken.

 

Um weiter scheinheilig vom Pferde zu winken,

Dürfen kreuzberockte Rotten und Herden

Sich wie tollwütige Tiere gebärden

Und an jeder Tür seines Reiches klinken.

 

Als ob Taubheit und Blindsein nicht genügen,

Veräußert er habgierig noch sein Schweigen,

Selbstsucht und Duldung seine Güter mehren.

 

Durch das sich dem vermeintlich Stärk’ren fügen,

Kann er sorgenfrei noch nach oben steigen,

Denn seine Sinne sich nach Macht verzehren.

 

 

 

XI. Der Kardinal

 

Seine Sinne sich nur nach Macht verzehren,

Die zu erlangen, blutig’ Ströme fließen,

Kerker und Galgen aus dem Boden sprießen,

Mordende Häscher die Städte beehren.

 

Rohe Gewalt soll die Menschheit belehren,

Soll Ehrfurcht und großem Einfluß genießen,

Gehorsam hat man sich ihm anzuschließen

Und nicht mehr von seiner Seite zu kehren.

 

Denn er kann Würde und Pfründe verteilen,

Sich vor Verschwörung und Intrigen winden

Und eisige Stürme des Unheils säen.

 

Soll er in seinem Bestreben verweilen

Und sich für jene Absurdität schinden,

Noch glaubhaft über dem Volke zu stehen?

 

 

 

XII. Das Mönchstum

 

Noch glaubhaft über dem Volke zu stehen,

Ist freilich ein müßiges Unterfangen,

Wenn Klöster als wahre Schandhäuser prangen,

Mönche sich an den Novizen vergehen.

 

Zuchtlos und liederlich ist das Geschehen,

Das schützend vor dicken Türen verhangen,

Denn nur ein Sieger über das Verlangen,

Kann auch würdevoll in den Spiegel sehen.

 

Und mit Zölibat und Keuschheitsgeboten,

Die von Widersinn und Borniertheit zeugen,

Läßt sich gewiß kein Geschlechtstrieb zerschlagen.

 

Gar einfallsreich sind die vielen Methoden,

Sich dennoch der feurigen Lust zu beugen,

Groß ist die Tücke und klein das Verzagen.

 

 

 

XIII. Die Hexe

 

Groß ist die Tücke und klein das Verzagen,

Will man sie der Zauberei überführen

Und dank ihrer noch harmlosen Allüren,

In die groben Hände des Henkers jagen.

 

Und noch als diese sie peinlich befragen,

Die Knechte längst den Scheiterhaufen schüren,

Grausam soll sie die Flammenmünder spüren,

Die in Bälde an ihrem Körper nagen.

 

So wird die Schöne zum teuflischen Wesen,

Das Kräuterweib als Hexe angepriesen,

Deren Kinder nun Schmach und Schande erben.

 

Und scheinen sie gleichfalls klug und belesen,

Ist dadurch allein schon die Schuld bewiesen,

Sind sie doch ein Pfuhl von Tod und Verderben.

 

 

 

XIV. Die Tortur

 

Als ein wahrer Pfuhl von Tod und Verderben,

Als die Grausamste aller Mordmaschinen,

Soll sie nur der Geständnisfindung dienen,

Unter der schon die meisten qualvoll sterben.

 

Und während sich Körper blutesrot färben,

Dringen Beichten aus schmerzverzerrten Mienen,

Ist ihnen doch der Satanas erschienen,

Um begierig deren Gunst zu umwerben.

 

Niemand kann sich der Hexerei erwehren,

Ein jeder lügt unter Foltern und Knechten,

Verleumdet die Freunde, ja selbst den Gatten.

 

Doch die wahrhaft teuflischen Taten gären

Hinter den Masken der scheinbar Gerechten,

In des Hexenhammers blutigem Schatten.

 

 

 

XV. Der Papst

 

In des Hexenhammers blutigem Schatten,

Reformer und Gegner gleichsam versinken,

Läßt er sie doch unterm Schafott bestatten,

Oder aus dem giftigen Kelche trinken.

 

Groß ist die Tücke und klein das Verzagen,

Um letzt einer Anklage zu entgehen,

Progreß und Bildung ihn empfindlich plagen,

Noch glaubhaft über dem Volke zu stehen.

 

Als ein wahrer Pfuhl von Tod und Verderben

Kann er sich wohl von den Sünden befrei’n,

Gehüllt in ein Gewand aus Blut und Scherben,

Der grausam’ Höllenfürst ist er allein.

 

Und wider aller religiösen Lehren,

Seine Sinne sich nur nach Macht verzehren.