Georg Rodolf Weckherlin    An das Teutschland

1584 – 1653

Zerbrich das schwere Joch, darunter du gebunden,

O Teutschland, wach doch auf, faß wieder einen Mut,

Gebrauch dein altes Herz und widersteh der Wut,

Die dich und die Freiheit durch dich selbst überwunden.

 

Straf nu die Tyrannei, die dich schier gar geschunden,

Und lösch doch endlich aus die dich verzöhrend Glut,

Nicht mit dein eignem Schweiß, sondern dem bösen Blut,

Fließend aus deiner Feind und falschen Brüder Wunden.

 

Verlassend dich auf Gott, folg denen Fürsten nach,

Die sein gerechte Hand will, so du wilt, bewahren

Zu der Getreuen Trost, zu der Treulosen Rach:

 

So laß nun alle Forcht und nicht die Zeit hinfahren,

Und Gott wird aller Welt, daß nichts dann Schand und Schmach

Des Feinds Meineid und Stolz gezeuget, offenbaren.

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Tod

1584 – 1653

Das Leben, so ich führ, ist wie der wahre Tod,

Ja über den Tod selbst ist mein trostloses Leben:

Es endet ja der Tod des Menschen Pein und Leben,

Mein Leben aber kann nicht enden dieser Tod.

 

Bald kann ein Anblick mich verlötzen auf den Tod,

Ein andrer Anblick bald kann mich wiedrumb beleben,

Daß ich von Blicken muß dann sterben und dann leben,

Und bin in einer Stund bald lebendig, bald tot.

 

Ach, Lieb! verleih mir doch numehr ein anders Leben,

Wann ich ja leben soll, oder den andern Tod,

Denn weder diesen Tod lieb ich noch dieses Leben.

 

Verzeih mir, Lieb, ich bin dein lebendig oder tot,

Und ist mir der Tod mit dir ein köstlich-süßes Leben,

Und Leben von dir fern ist ein ganz bittrer Tod.

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Von dem König von Schweden

1584 – 1653

O König, dessen Haupt, den Weltkreis zu regieren,

Und dessen Faust, die Welt zu siegen, allein gut,

O Herrscher, dessen Herz, Herr, dessen großen Mut

Gottsforcht, Gerechtigkeit, Stärk, Maß und Weisheit zieren,

 

O Held, für dessen Schwert die Verfolger die Wut,

Ihr Klagen, Forcht, Gefahr die Verfolgte verlieren,

Mars, göttlichen Geschlechts, von der Erretter Blut,

Wert, über Tyrannei und Stolz zu triumphieren!

 

Des Feinds Zorn, Hochmut, Haß durch Macht, Betrug, Untreu,

Hat schier in Dienstbarkeit, Unrecht, Abgötterei

Des Teutschlands Freiheit, Recht und Gottesdienst verkehret,

 

Als Euer Haupt, Herz, Hand, ganz weis, gerecht, bewehret,

Die Feind bald ihren Wahn und Pracht in Hohn und Reu,

Die Freund, ihr Leid in Freud zu verkehren, gelehret

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Von ihren überschönen Augen

1584 – 1653

Ihr Augen, die ihr mich mit einem Blick und Blitz
Scharpf oder süß nach Lust könnt strafen und belohnen,
O liebliches Gestirn, Stern', deren Licht und Hitz
Kann, züchtigend den Stolz, der Züchtigen verschonen:

 

Und ihr, der Lieb' Werkzeug, Kundschafter unsrer Witz,
Augbrauen, ja vielmehr Triumphbogen, nein, Kronen,
Darunder Lieb' und Zucht in überschönem Sitz,
Mit brauner Klarheit Schmuck erleuchtet, leuchtend wohnen!

 

Wer recht kann eure Form, Farb, Wesen, Würkung, Kraft,
Der kann der Engeln Stand, Schein, Schönheit, Tun und Gehen,
Der kann der wahren Lieb' Gewalt und Eigenschaft,

 

Der Schönheit Schönheit selbst, der Seelen Freud und Flehen
Und der Glückseligkeit und Tugenden Freundschaft
In euch (der Natur Kunst besehend) wohl verstehen!

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin   

1584 – 1653

 

Die Spiegelmacher an das Frawenzimmer

 

 

Nymfen, deren anblick mit wunderbarem schein

Kan unser hertz zugleich hailen oder versehren;

Und deren angesicht, ein spiegel aller ehren,

Uns erfüllet mit forcht, mit hofnung, lust, und pein:

 

Wir bringen unsern kram von spiegeln klar und rein,

Mit bit, ihr wollet euch zuspieglen nicht beschweren:

Die spiegel, welche uns ewere schönheit lehren,

Lehren euch auch zumahl barmhertziger zusein.

 

So gelieb es euch nun, mit lieblichen anblicken

Erleuchtung gnädiglich unsern leuchtenden dantz,

Und spieglend euch in uns, uns spiegler zu erquicken:

 

Wan aber ungefehr ewerer augen glantz

Uns gar entfreyhen solt, so wollet uns zugeben,

Das wir in ewerm dienst fürhin stehts mögen leben.

 

 

 

Ihr Nymphen deren blick mit wunderbarem schein

Kan unser hertz zugleich erlaben und versehren;

Und deren angesicht, ein spiegel aller ehren,

Erfüllet Uns mit forcht, mit hofnung, lust und pein:

 

Wir bringen unsern kram von Spiegeln klar und rein,

Mit bit, ihr wollet euch zuspiegeln nicht beschweren:

Die spiegel, die so klar Uns ewre schönheit lehren,

Die lehren euch zumahl barmhertziger zusein.

 

Wol. So belieb es Euch mit lieblichen anblicken

Erleuchtend freindlich Uns und unsern leichten Dantz,

Und spiegelnd Euch zumahl in Uns, Uns zu erquicken:

 

Solt aber ungefehr Uns ewrer Schönheit glantz,

Unnd ewrer haaren schein verblinden unnd verstricken,

So tröste beederseits Euch der Krantz, Uns die Schantz.

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Vorrede und bitt an Seine Liebste

1584 – 1653

Ich dicht, Ich sag, Ich sing: Ach nein, ich seuftz, schrey, klag,

Die lieb, das layd, damit mein junges hertz gestritten,

Verlierend allen trost und hofnung mit dem tag,

Verwundet durch und durch endlich den tod erlitten.

 

Kein soldat in der schlacht und grösten niderlag

War iemahls, als mein hertz, zerhacket und zerschnitten;

Und bittend umb quartier kont ich weder vertrag,

Noch meiner feindin gnad erbeuten noch erbitten.

 

O grewliche Schönheit, die mit ernst oder schertz,

Nach ewerm aignen lust, den sehlen widerstrebet,

Erkennet doch wie groß ewer stoltz und mein schmertz!

 

O die Ihr, wan ihr wolt, den tod, das leben, gebet,

Verleyhet das durch Euch, weil ja durch Euch mein hertz

Getödtet, mein Gesang hingegen werd belebet!

 

 

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Ihrer Schönheit wunderliche Würkung

1584 – 1653

Wer sein betrübtes aug ab aller Götter pracht,

Und ab der Natur kunst zu erquicken begehret,

Der kom und schaw die sonn, die mit götlicher macht

Mich, ja die fünstre welt des lieben liechts gewehret.

 

Doch kom Er (seelig) bald: Dan mit zu früher nacht

Der tod, sparend was böß, das best allzeit beschweret:

Und dise Göttin wirt mit eyfer und obacht

Der Götter, als die zierd des himmels, schon geehret.

 

Ein wunderreiches werck, da lieblichkeit mit ehr,

Da tugent mit schönheit, in einem leib vermählet

Soll segnen sein gesicht mit lust, sein haupt mit lehr;

 

Daß Er gestehen muß, daß mein gesang weit fehlet,

In dem (bestutzet) ich ihr lob nicht gnug vermehr,

Weil mich ihr aug zugleich entsehlet und besehlet.

 

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    An eine, sich alt zu werdende, Schönheit

1584 – 1653

Nein. Ihr seit noch nicht alt. so zart, so schön, so klar,

Pfleg ich stets ewer flaisch, farb und aug zuerfahren,

Daß ihr mir billich jung. frisch, hurtig, süß ist zwar

Der glatten jugend Lieb, und Früling unsrer jahren.

 

Daß unser Sommer auch gantz liebreich sey, ist wahr;

Doch ist die hitz so groß, daß sein gedranck zu spahren

Ihm kaum kan möglich sein: Daher er matt und bahr

Durch der Lieb starcke brunst in taussenten gefahren.

 

Wan nu, weil noch zu jung, fruchtloß die Frühlings zeit;

Der Sommer vil zu heissz: Ist weder zu verschweigen,

Noch zu erhöben gnug des Herbstes lust-reiche beut.

 

Dan Er ergötzet Uns mit so Lieb-reiffen Feigen,

Mit solcher Wollusts frucht, daß er ohn allen streit

Die ander übertreff, ihm gnug an zweyen Zeugen.

 

 

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Unendliche Liebs pein.

1584 – 1653

Ich brenn auß lieb und lust, doch kan der brunst verdruß
Meines haupts feuchtigkeit und thränen nicht verzehren:
Ich wein auß lieb und layd, doch kan mein zeherfluß
Meiner brust grossen brunst und flammen gar nicht währen.

 

Ja, vilmehr pfleget stehts meiner brunst überfluß
Den quellen meines layds die nahrung zu bescheren:
Ja, vilmehr pfleget stehts meines layds zeherguß
Die flammen meiner Lieb zu stärcken und zu nähren.

 

In dem mein weinen nu, in dem nu meine brunst
Einander ihre hilff zu wechslen nicht verneinen,
So leyd ich dise lieb, und lieb das layd umbsunst.

 

Dan findend in dem fewr, das ewiglich muß scheinen,
Und in dem stehten fluß der zehern keine gunst,
So muß (O schmertz!) mein hertz stehts brennen und stehts weinen.

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Scheiden und Lieb unsterblich

1584 – 1653

 

Muß es geschaiden sein? Ist dises dan die stund,

Die stund, ach nein, die wund, die uns will haben schaiden?

Wie! schaiden muß ich dan? Ach nein, ich muß verschaiden,

Dan ja zu groß mein schmertz, und zu tieff meine wund.

 

Zwar nicht mein aigen laid, sondern, mein Rosenmund

(Mund, dessen süsse küß mein hertz gantz götlich waiden)

Dein seuftzen, weinen, klag mich zu dem tod beschaiden,

Und machen deinen tod mir, meinen tod dir, kund.

 

So laß mich nu von dir, thu du von mir, empfangen

Den letzten letzin-kuß. O süsser tod! Ach nein,

O newe lebens-krafft, die wir zu gleich erlangen!

 

Dan meine sehl in dich, in mich dein sehlelein

(Verwechßlend) haben sich durch disen kuß vergangen,

Daß unser tod und lieb nu muß unsterblich sein.

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Sie ist steinin

1584 – 1653

 

Was kan uns, Amor, doch vor ihrem stoltz bewahren?

Umbsunst seind deine pfeil, umbsunst ist mein Unfall,

Ie mehr Ich unsre schand mit ihrem lob erschall,

Ie weniger Sie mich vermeinet zu entfahren.

 

Dem blaichen Agstein gleich ist der strom ihrer haaren,

Ihr runde kehl und halß ist pur als ein Cristall,

Ein Marber ihre brust, das wärtzlein ein Corall,

Ein alabaster glat die hände offenbahren:

 

Und ihre zween augstern seind funckende Saphir,

Ein lachender Rubin auff ihrem mund prachtieret,

Von hartestem deemant hat Sie ein hertz in ihr.

 

Ist es ein wunder dan, daß Sie (stoltz) triumfieret,

Amor, und ist so hart stehts gegen dir und Mir,

Wan Sie die Natur selbs gantz steinin geformieret?

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Venedig gegen seiner Liebsten verglichen

1584 – 1653

Witzlos war die fürwitz, aufsätzig der fürsatz,

Creutz-geitzig der ehrgeitz, die mich so sehr bethöret,

Daß eines Fürsten will, der Schön und Lieb gesatz

Zuwider, mich gleichwol gehorsamen gelehret.

 

Dan was sein doch die Brent, Galleen, Marxenplatz,

Die statliche palläst, der schatz so weit vermehret,

Gegen der haaren strom von purem gold bewehret,

Und gegen der Schönheit und tugend grösserm schatz?

 

Was ist des Hertzogs, Raths, und Curtisanen prangen

In purpur, scharlach, gold, in bestem saal unnd mahl,

Verglichen mit dem schmuck der lippen und der wangen:

 

Was seind die Müntz, Zeughauß, geschütz und Arsenal,

Gegen dem schönen aug, das billich (mein verlangen

Zustrafen) so weit ab mich tödet wie ein strahl?

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Traum

1584 – 1653

Ich sah in meinem Schlaf ein Bild gleich einem Gott,

Auf einem reichen Thron ganz prächtiglich erhaben,

In dessen Dienst und Schutz zugleich aus Lust und Not

Sich die totrechte Leut stets haufenweis begaben.

 

Ich sah, wie dieses Bild dem wahren Gott zu Spott

Empfing – zwar niemals satt – Gelübd, Lob, Opfergaben;

Und gab auch, wem es wollt, das Leben und den Tod

Und pflage sich mit Rach und Bosheit zu erlaben.

 

Und ob der Himmel schon oftmal, des Bilds Undank

Zu strafen, seine Stern versammelte mit Wunder;

So war doch des Bilds Stimm noch lauter dann der Dunder,

 

Bis endlich, als sein Stolz war in dem höchsten Schwang,

Da schlug ein schneller Blitz das schöne Bild herunder,

Verkehrend seinen Pracht in Kot, Würm und Gestank.

 

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    Ihr Herz ist gefroren

1584 – 1653

Gleich wie ein armer Mensch aus irdischem Verstand

Vermeinet, horchend zu des Aberglaubens Lehren,

Ein schöngemaltes Bild als seines Geists Heiland

Mit Bitten, Opfern, Lob und anderm Dienst zu ehren:

 

Also und mehr fehl ich – witzlos – durch mein Begehren,

Wann ich für euch erhöb mein Herz, Gesicht und Hand,

Wann ich mich darf ob euch beklagen und beschweren,

Da schuldig doch allein mein eigner Unverstand.

 

Ja, Göttin, deren Gnad mich könnt allein erlaben,

Euch klag ich an umbsunst, umbsunst hoffich den Lust,

Daß euer Herz mit Lieb werd meine Lieb begraben.

 

Dann sollt ich, als ich sah eurer schneeweißen Brust

Bezaubernde Bühl, nicht – klüger – gedacht haben,

Daß unter solchem Schnee ein Herz von Eis sein mußt?

 

 

 

 

Georg Rodolf Weckherlin    An Herren Martin Opitzen

1584 – 1653                                                 fürtrefflichen deutschen Poeten

 

Indem mein Ohr, Hand, Mund schier müd, die schwere Plagen,

die dieser große Krieg mit Hunger, Schwert, Pest, Brand

und unerhörter Wut auf unser Vaterland

ausgießet, ohn Ablaß zu hören, schreiben, klagen,

 

da ward mit Wunder mir und mit Wohn fürgetragen:

Mein Opitz, deiner Lieb und Freindschaft wertes Pfand,

Pfand, welches mir alsebald die feder aus der Hand

und aus dem Mund und Geist die Klag und Leid geschlagen.

 

Dann ja dein Orgelstreich und deiner Harfen Klang,

so lieblich das Gehör und Herz zugleich berühren,

daß, wer (sinnreich) mir erforschet ihren Zwang,

 

der kann nichts dann dein Werk und Wert zu Herzen führen,

und sein Mund muß dich bald mit einem Lobgesang

und seine Hand dein Haupt mit Lorbörzweigen zieren.