Zacharias Werner                  Omnia quae non aeterna, vana sunt

1768 – 1823                                        Rom, den 14. August 1810

 

Heut sind zwei Dutzend Jahre just verstrichen,

Seit, sonder Schärpe, Federhut und Orden,

Die, wie bekannt, sind invalid geworden,

Ein Großer, Friedrich, ist davongeschlichen.

 

Sein immorteller Freund ist auch verblichen

Und jetzt Feldpred’ger der gehörnten Horden,

Doch gehts noch frisch mit Lügen und mit Morden,

Es blüht die Kunst, wenn auch zwei Meister wichen.

 

Zwei große Weisen, und so bald vergessen,

Und all ihr Lärm! – Hab mal mich umgetrieben

Im Alptal; da hat still, mit weißer Scheitel,

 

Ein kleiner dünner Pfaff’ am Fels gesessen

Und dran gekratzt: Was ewig nicht, ist eitel!

Ein klein’ dumm’ Spüchlein ist’s; nicht wahr Ew. Lieben? -

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  An die Deutschen

1768 – 1823

Kraft! Freiheit! Glauben! – Habt Ihr es vernommen?

Vereinzelt sind sie nimmer zu erringen!

Das Herrliche, es kann euch noch gelingen.

Doch kann’s euch nur aus jenem Dreiklang kommen!

 

Seht! Eure Stützen sind euch fortgeschwommen!

Kann euch die Zeit, könnt ihr der Zeit was bringen?

Das Ew’ge nur, es kann die Zeit bezwingen,

Und stark und frei, das sind allein die Frommen!

 

Nur Teile saht ihr stets und nur das Viele,

Gesammelt wart ihr nie zum Ganzen, Einen;

Drum ist gekommen, was ihr selbst verschuldet.

 

Jetzt rettet euch zum einzigen Asyle:

Zum Glauben flieht, entflieht dem leeren Meinen,

Das Rechte tut, und das Gerechte – duldet!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  Hellenik und Romantik

1768 – 1823                                        Genua. Auf der Bocchetta, den 9. September 1808

 

Könnt, Genua, ich tausendfach mich teilen,

In deinem Hafen mit den Wellen fließen,

Empor mit deinen Goldorangen sprießen,

Mich wölben kühn mit deinen Marmorsäulen;

 

Zu deiner Töchter Schar, ein Heros, eilen,

Der Glutenaugen Schleier aufzuschließen,

Und alle Nektarkelche zu genießen,

Ausschlürfen jeden und bei keinem weilen!

 

Weg mit der fernen Sehnsucht Nebeltraume!

Das Marmorbild der Göttin von Cythere

Im Spiegel nicht, umfangen wird’s genossen!

 

So träumt ich. – Da entstieg dem Meeresschaume

Die Göttin selbst in Rosenduft zerflossen.

Im Dufte klang’s Ich forme, ich verkläre! -

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  An mein Ideal

1768 – 1823

Was schönes in der Kunst und in dem Leben,

Es offenbaret sich den holden Frauen,

Entschleiert können sie die Sonne schauen,

Dieweil sie selbst in ew’ger Klarheit schweben.

 

Doch – welcher Gott den Liebreiz hat gegeben,

Die schafft zum Eden um die Erdenauen,

Und ihre Blicke, wo sie niederthauen,

Wol können sie den Keim zur Frucht erheben –

 

Durch heil’ge Schönheit will sich Gott verkünden,

Der in der Klarheit wohnt, und in der Güte,

Dem Volke, das den reinen Sinn verloren.

 

Luise! du, der hohen Frauen Blüte,

Du bist zur Weihe teutscher Kraft erkoren,

Im Schmerz ein Reich der Schönheit zu begründen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner

1768 – 1823

Herz ist was Liebes, was so lieb wir haben,

Wenn wir auch recht nicht wissen, es zu hegen;

Bald tanzt es gern, bald will’s der Ruhe pflegen,

Bald schmollt’s, bald tut es uns mit Lächeln laben!

 

Lieb ist ein herzigs Veilchen, das begraben

Im Wiesengrün, als könnt’ es sich nicht regen;

Doch duftet Euch sein Blütenkelch entgegen,

So geht’s – wie mit dem Röslein und dem Knaben.

 

Herzlieb ist mir, wenn Schöne schön mich preisen,

Wenn Helios mir strahlt nach Finsternissen,

Und etwas anders, das ich nicht darf nennen.

 

Die erste Silbe ist wie Wachs und Eisen,

Die zweite Glut, die wird das Wachs verbrennen;

Das Ganze, ach, wir möchtens alle küssen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  Der steinerne Bräutigam und sein Liebchen

1768 – 1823

Die Epheustaude

 

Ich muß den Toten an mein Leben binden,

Umschlingen ihn, wie wir uns einst umschlangen,

Und lebensaugend wieder an ihm hangen,

Und wieder er in mir sein Leben finden!

 

Der Wartturm

 

Nicht kann er meiner Fesseln sich entwinden,

Und nicht dem Schoß, aus dem er aufgegangen;

Den Steingebornen muß der Stein umfangen,

Und Leben muß im starren Tode schwinden.

 

Der Pfalzgraf

 

Fest angeschmiedet hier im engen Raume

Erblick ich nichts, doch fühl ich Morgenwehen,

Und wie es mich umschlingt mit Liebesbeben!

 

Der Engel

 

Gelobt sei Gott im Tal und auf den Höhen,

Der der Gestalt sich offenbart im Traume,

Und eint, was ihm entquoll, das Doppelleben! -

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  Ordnung des Heils

1768 – 1823

Die Sonne sieht man auch im Tautropf scheinen;

So, wer an Gott will treulich sich erquicken,

Er kann im Kleinsten auch das Heil erblicken,

Zu großem Tun sich Blick und Willen reinen

 

Selbst des Sonettes Form ist groß im Kleinen;

Sie, scheinbar frei, muß sich notwendig schicken,

Zwei Reime, die sich fliehen, zu verzwicken;

So muß das Schicksal Sünd und Gnad vereinen.

 

Bald trennt den Reim die erste der Terzinen:

Der Hochmut treibt aus hoher Sehnsucht Keimen

Das Wucherkraut, das niedre Lustgetriebe.

 

Und ungereimt muß neuer Dreiklang reimen:

Sobald der Sehnsucht Demut ist erschienen,

Dient Glaub und Hoffnung frei der reinen Liebe!

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  Der Franzbrunnen

1768 – 1823

(Veranlaßt durch die Nachricht, daß der Gebrauch des Franzbrunnens dem großen Goethe im Sommer 1808 besonders zuträglich gewesen sei.)

 

In deiner Wässer lichtgebornen Wellen,

O Schweiz, sah ich der Sehnsucht ewig Leben:

Als Wollust es im Rheinfall sich erheben,

Sich silbern, schäumend, freudig zu zerschellen;

 

Als Glaub’ in Reichenbachs dreiein’gen, hellen

Goldströmen, siebenstrahlend, glüh’nd es schweben;

Als Lieb in Staubbachs Doppelsonnen beben,

Die aus demantner Säule lodernd quellen.

 

Doch teurer ist mir, bei dem Quell der Wahrheit!

Bohemia, du Mutter süßer Töne,

Dein heilerfüllter Born: Franziskusbrunnen;

 

Wie dort der Musaget, der ewig Schöne,

Der Meister einer Welt voll Kraft und Klarheit,

Mein Helios, sich Jugend neu gewonnen! –

 

 

 

 

 

 

 

Zacharias Werner                  Ein Pärchen Sonette aus Rom,

1768 – 1823                              als freundlicher Zuruf an deutsche Lieben

 

 

I. Das Colisäum beim herbstlichen Sonnenuntergange

den 23. Oktober 1811

 

Wie herrlich ist es, wenn aus Roms Ruinen

Im Herbst des Jahres Frühlingsblüten sprießen,

Des Empyräums Lebensstrome fließen

Auf jene Steine, die zu starren schienen!

 

Wie herrlich, daß die Lüge Zeit muß dienen

Der Ewigkeit, und daß der Mensch genießen

Das darf, noch eher auf den Kerker schließen

Des Körpers, brechen kann die Qualmaschinen! –

 

O wunderherrlich Rom mit Deinen Schätzen!

Du Grundstein, Richtmaß, Senkblei der Gesunden,

Träufst auch uns Kranken Balsam uns zu letzen!

 

Nur eines wird noch herrlicher erfunden:

Mer ist als Millionen Roms und Sonnen

Ein Herz, ein einz’ges, hat es Gott gewonnen! -

 

 

 

 

II. Roms Springbrunnen

 

Den 23. Oktober 1811 bei der Fontaine auf St. Pietro di Prämontorio

Fluminis impetus laetificat civitatem Dei. (Ps. 45. v. 4.)

 

 

“Der Ströme Lust erfreut die Stadt des Herrn!”

Drum sprüht auf Romas Plätzen mit Gebraus

Das Wasser seine freud’gen Geister aus,

Die glorreich drangen aus der Erde Kern!

 

Auch weilt’s auf Romas sieben Hügeln gern,

Um kühn zu schauen sein siderisch Haus,

Und sprudelnd lacht’s der Sterne Walten aus;

Denn nah ist Gott in Rom, die Sterne fern!

 

Dann tanzt es plätschernd bei den Pinienhainen

Pamphilis, sonnt sich in Borghesens Spiegel

Und tändelt an Albanis Säulgewinden.

 

Und, ob auch Riesenpfeiler es umzäunen,

Schwingt’s über sie die diamantnen Flügel,

Wo Gott wollt’ auf den Fels die Kirche gründen!