Gabriella Wollenhaupt           „Eros“

e-mail: frauausglas@yahoo.de            Sonettenkranz von Gabriella Wollenhaupt

nach dem Sonett „Eros“ von Bettina von Arnim

 

 

Bettina von Armin

Eros

 

Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,
Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten,
Die taugebrochnen Strahlen schmeichelnd gleiten
Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.
 
Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen
Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten
Und durch der Biene Summen, die zuzeiten
Vorüberstreift an zitternden Geschossen.
 
Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen
Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben,
Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen.
 
Es ist mein Auge vor ihm zugesunken,
Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben,
In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.

 

 

 

Eros (1)

 

Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,

Fast nicht zu sehen unter soviel Lidern,

Im Widerspruch nicht zu zergliedern.

Der Schutz der Nacht ist fort geflossen.

 

Wie kommt ein Gott in meine Kissen?

Hat ihn die Lust etwa dorthin gebracht?

Und ich hab’ einfach da so mitgemacht?

Ich frag ihn jetzt, ich muss es wissen. 

 

Bellezzo, sag ich, leih mir mal dein Ohr:

Kann denn ein Gott wie du mir Lust bereiten?

Hab ich geöffnet dir mein Himmelstor?

 

Ich will ja kein Gerücht verbreiten,

Sagt Eros, lacht, und zeigt die Brust hervor

Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten.

 

 

 

Eros (2)

 

Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten

Tritt Aphrodite an das Bett der Rosen:

Verdammter Lüstling, wo sind deine Hosen?

Lässt du dich nur von Wollust leiten?

 

Bellezzo lächelt seine Mutter eitel an,

Die Kohlenaugen schleudern Funkenglut:

Ich kann halt lieben nur – und das mit Mut

Im Götterreich ist lange Weile wieder dran.

 

Die Göttin mustert mich. Will mich verstecken.

Lässt ihren Blick streng über meinen Körper reiten.

Versuche hektisch, mich mit Rosen zu bedecken.

 

Gott Helios spannt an – will mich dazu verleiten

Eros zu küssen - damit in seine exquisiten Ecken

Die taugebroch’nen Strahlen schmeichelnd gleiten.

 

 

 

Eros (3)

 

Die taugebroch’nen Strahlen schmeichelnd gleiten

In jede feine Falte seiner bronzefarb’nen Haut.

Auf der hat sich jetzt süße Hitze angestaut

Die Göttin ärgert sich und wird sich vorbereiten,

 

Den schönen Sohn mir aus dem Bett zu scheuchen.

Nur weil sie mir kein geiles Spielzeug gönnen will,

Mir Erdenfrau! Ich werde wütend und bin nicht mehr still

Lass manches Schimpfwort meinem Mund entfleuchen.

 

Der Sonnengott lässt lachend seine Pfeile prallen.

Jetzt peinigt mich die Göttin auch noch mit Geschossen!

Das Sahneteil im Lotterbett beginnt debil zu lallen.

 

Du bist ganz ruhig!, sag ich ihm ziemlich unverdrossen.

Tret hin zum Rosenbett und lass mich einfach fallen

Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.
 



Eros (4)

 

Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen

Lieg ich jetzt steif an seiner Gottesbrust.

Er ist zwar schön, doch hab ich keine Lust

Auf ihn. Hab oft genug so frisches Fleisch genossen,

 

Das noch im Laden konnte meine Gunst sich rauben.

Doch immer schwerer wurde in der Einkaufstüte

Dass später nicht einmal der Wunsch mehr in mir glühte

Ihm lustvoll die Verpackungen vom Leib zu klauben.

 

Ich heb das Haupt und blicke auf die eitle Aphrodite

Und frage mich, was in der Nacht, die ja verflossen

Wirklich geschah. Er wär kein Mann, wenn er’s verriete.

 

Ich weiß nur noch, dass ich naiv und unverdrossen

Ihm Obdach gab, weil seine Gelder für die Miete, 

Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen.

 

 

Eros (5) 

 

Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen

Die müden Glieder, seine und auch meine.

Wir schliefen nur, und Liebe gab es keine

Da uns’re Seelen waren weggeflossen.

 

Doch neben einem echten Gott zu liegen

Besonders, wenn er schweigend bleibt

Und sich am Morgen nett die Augen reibt

Ist einfach schön und schwer zu kriegen.

 

„Hör zu, du schwarzgelockter Liebesgott,

Ich werd’ dich jetzt hinausgeleiten

In diese Erdenwelt voll Hohn und Spott,

 

Dort, wo ein Sturm dich kann begleiten.

Du liegst noch flach? Dann heb jetzt flott

Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten.“

 

 

Eros (6)

 

Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten,

Sie liegen matt in meinen weichen Kissen.

Die Rosenblätter knicken hin in klarem Wissen,

Dass ihnen Eros wird den Tod bereiten.

 

Ich will den Gott jetzt aus der Hütte kriegen,

Trotz seiner präsentablen Männlichkeit.

Ich rechne nicht mehr mit viel Widerstreit.

Doch er bleibt leider schwer im Bette liegen.

 

Ich muss jetzt doch mit seiner Mutter reden,

Sie muss den trägen Sohn drauf vorbereiten:

Denn mit ’nem Liebesgott kann ich nicht leben.

 

Hab keine Lust, nur Süße zu verbreiten!

Die Göttin stutzt, will ihre Stimme grell erheben:
“Und durch der Biene Summen, die zuzeiten..?“

 

 

 

Eros (7)

 

“Und durch der Biene Summen, die zuzeiten...?“

Doch Aphrodite fehlen immer noch die Worte,

Bei denen auch manch Dichter sich am Orte

vergeblich mühte. Es sei denn, er ließ’ sich verleiten

 

Die fehlende Idee durch Pfusch perfekt zu machen,

Was nicht besonders göttlich scheint.

Die strengen Musen nämlich sind vereint     

Um über Ebenmaß und Form zu wachen.

 

Die Biene tändelt trunken durch den Flieder.

Sie ist – warum? – zum Stich entschlossen

Und schändet Liebesgottes schöne Glieder.

 

Der Gottesmutter Miene ist total verdrossen: 

Sie killt den dreisten Flieger, bevor er wieder

Vorüberstreift an zitternden Geschossen.

 

 

Eros (8)

 

Vorüberstreift an zitternden Geschossen

Mit Eleganz und harschem Peitschenknall:

Es ist Gott Ares auf der Fahrt durchs Weltenall

Er ist der Vater und er hat beschlossen

 

Den Widerspruch in seinem Sohn zu kitten,

Das Honigblut mit strengem Mut zu mischen,

Und die Kritiken vom Olymp so zu verwischen,

Dass Götter nicht mehr um den Eros stritten,

 

Der immer wieder heiter die Gesetze bricht.

Eros steht stramm, will Ares nicht verprellen,

Der greift nach meiner Hand, und ich merk nicht,

 

Dass Kriegsgotts Miene beginnt aufzuhellen,

Und seine Lippen kosen zärtlich mein Gesicht

Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen.

 

 

 

Eros (9)

 

Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen

schöne Musik aus fernen, lyrischen Gefilden

Die Kriegerrüstung bricht entzwei – es bilden

Sich nun Wolkenschäfchen über klaren Quellen.

 

Ich seh in Ares’ stahlverzinkte, blaue Augen,

Die herrisch, grausam und verdorben denken

Und fange an, mich tief in ihnen zu versenken

Und wie ein Wurm in seine Seele mich zu saugen.

 

Er lässt es zu. Und Eros fängt laut an zu lachen

Und schmäht den Vater. Ich fang an zu loben

Des Kriegsgotts Fähigkeit sich sanft zu machen.

 

Mein Körper ist mit seinem jetzt verwoben

Der Himmel tut sich auf – ich hör erwachen

Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben.

 

 

Eros (10)

 

Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben

Mein Inneres bricht auf durch warmen Regen

Entfaltet sich und kann sich nun bewegen

Und wird schon in die Ewigkeit verschoben,

 

Im Takt der überschweren Wolkengüsse.

Der kleine Eros schaut den Vater an

Begreift, dass dieser doch mehr kann

Als nur der Welten übervoller Flüsse

 

Durch Ruderschlag den Takt zu rauben.

Er labt sich an den wilden schönen Stellen

Wie eine Lerche beim Sichhöherschrauben.

 

Ich lasse meine Zunge heftig tiefer schnellen

Und heb den Blick und kann es noch nicht glauben:

Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen!

 

 

 

Eros (11)


Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen,

Den safrangelben Berg der Berge in der Sonne

Als ob sich Gold mit Heiterkeit versponne,

Und sich die Wollust in den schönen Quellen

 

Scharf widerspiegle, um mein Auge zu erquicken.

Jetzt steht der Eros bei der Mutter – nichts am Leibe

Und blickt empört, was ich mit seinem Vater treibe

Es stört mich nicht, denn ich will Ares doch nur erfreuen.

 

Er nimmt die Peitsche, ich benutz die Sporen.

Das Ziel vom Berg hat uns jetzt zugewunken!

Wir sind zu schnell und haben Takt verloren,

 

Der Wind in meinem Haar schlägt Funken

Er greift die Zügel, stoppt uns unverfroren:

Es ist mein Auge vor ihm zugesunken.

 

 


Eros (12)


Es ist mein Auge vor ihm zugesunken.

Und die Gedanken sind wie Spinneweben

So klebrig-zart und voller Zappelleben,

Das einstmals munter saß in den Spelunken,

 

In denen Menschenkinder ihre Zeit verschwenden.

Die einen saufen, andere streiten, spielen Karten

Noch andere wollen Liebe, doch sie alle warten

Sich jenem seltnen Augenblicke zuzuwenden,

 

An dem ein starker Gott sie in die Höhe hebt.

Auch ich fühl mich ins Blaue jetzt geschoben

Von Ares, der mit mir in unbegrenzte Reiche schwebt.

 

Ich lass es zu. Will Spielball sein, der hochgehoben

Wird und dennoch weiß, dass jener weiterstrebt

Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben.

 

 

Eros (13)

 

Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben

Und seine Schwermut mich zu trinken zwang.

So bittres Zeug! Doch wild und stark. Es drang

In meinen Mund und ich bin zielvoll losgestoben

 

Nicht zum Olymp. Ich fand die lyrischen Gefilde,

Die mehr Erfüllung bringen als die satten, übervollen

Götterwiesen, auf denen dumme Menschen tollen.

Ich küsse Ares zart und setz ihn dann ins Bilde,

 

Dass ich muss fort. Will nicht mehr länger bleiben

Bei diesen dummen Götterspielen. Und tief versunken

Entdecke ich dein Zeichen hinter blinden Scheiben.

 

Die Zeit ist reif! Noch schnell den Göttern zugewunken.    

Ich nehm die Rosen und beginn das Glas zu reiben:

In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.

 

 

 

Eros (14)

 

In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.

Er ist kein Gott voll Schönheit und Esprit

Die Welt, in der er lebt, ist keine Phantasie

Mit grellen Wesen, Chimären und auch Unken

 

Und diesen weißen Pferden mit dem Solohorn.

Ja, sterblich zwar, doch warm und weich

Nicht göttlich sein, sondern im Leben reich,

Nur für die Liebe, nicht die Macht geborn.

 

Ich ziehe seinen Kopf an meinen Busen:

Die Augen sind in tiefer Ruh geschlossen

Ich küsse seine Lider und beschwör die Musen

 

Dass sie ihn wecken, meinen Bettgenossen.

Denn ich will endlich mit ihm schmusen:

Im Bett der Rose lag er eingeschlossen.