Philipp Zesen

1619 –1689

Sonnet  Kling-gedichte. ein zwei-siebener.

 

Der Helikonischen Ober-treppe dritte stuffe,

Von den kling-gedichten, Sechs-lingen und anderen gedichts-ahrten mehr

 

Ein Kling-gedichte (welches die Niederländer Klink-dight und die Franzosen Sonnet nenen) ist ein Gedicht von vierzehen reimbänden oder zeilen, darunter sich allewege die ehrsten vier weibliche, und vier mänliche, gleich reimen. Die schränk- und üm-wechselung der reime stehet einem ieden frei; auch gilt es gleich, man fahe mit män- oder weiblichen an; wie man sehen kan aus diesem

 

Kling-gedichte nach der Dattel- und Palmenahrt

 

Diese ahrt der Kling-gedichte möchte vielleicht iemand gefallen, darum hab’ ich auch das allerehrste, das ich aus Dattel- oder Palmen-reimen zu machen versuchen wollen, anher gesetzt, mit der hoffnung, es werde einer oder der andere nach-folgen, und sie ferner aus-üben. Dan es klinget viel besser, meines erachtens, als ein steigendes, und kan billicher ein Kling-gedichte genennet werden als jenes, weil alles darinnen klinget und springet, auch flüchtiger von der zungen läufft, als das steigende.

Eben also hab ich auch den versuch gethan mit den langen und kurtzen fallenden reim-bänden, davon ich eines zur nachricht anher setze.

 

               Kling-gedichte von kurtzen fallenden reimen

 

Auf solche weise ist auch der versuch mit der wieder-schallenden oder wieder-hallenden Kling-gedichten gemacht worden, deren eines wier auch zur nachrichtung anher setzen wollen.

 

               Kling-gedichte von kurtzen steigenden, wiederhallenden reimen

 

...Dabei fället zu erinnern for, daß sie aus dreierlei ahrten der singgedichte (wie man sie nennen möchte) gleicham zusammen-gesetzt seind, sonderlich, wan man sie auf die alte und gemeine weise machet, und das erste band mit dem 4, 5 und 8, wie auch wiederüm das zweite mit dem 3, 6, und siebenden gleich-reimet. Daher haben etliche gemeinet, daß man nach dem ehrsten vierzeiligen satze, den wier sonst absonderlich einen Vierling, oder vier-bändiges gedicht, nennen, wie auch nach dem zweiten, der eben ein solcher satz ist, d. i. nach dem vierden und achten reim, allezeit die meinung schließen solte. Weil es aber kein gesang ist, noch in drei oder zwei sätzen sol gesungen werden, darf man solches nicht beobachten, es sei dan, daß man das Kling-gedichte recht in drei teile, als in den satz, gegensatz, und ab-gesang, auf Pindarischer lieder ahrt, teilen wolte, wie wier einesmahls, aus kurtzweile, gethan haben, und aus folgendem zu sehen ist.

 

               Wer hat so süsses sprächen...

 

Dieses kling-gedichtes oder vielmehr Kling-liedes ehrster und anderer satz können nach einer gesang-weise gesungen und getanzet werden; der Ab-gesang aber muß eine sonderliche weise haben, wie in den Pindarischen liedern gebräuchlich ist. Wem nuhn auch beliebet, noch mehr darzu zu setzen, der kan es also mit dem Satz, gegensatz und abgesange, so vielmal als er wil, wieder-holen, wie in den Pindarischen liedern gebräuchlich ist, und es mit allen Kling-gedichten kan gemacht werden. Man hat auch ferner zwei-fache Kling-gedichte, Gekettelte, und viel andere ahrten mehr, die ich alle, mit Gotte! in einem sonderlichen Buche forstellen werde.

 

 

 

 

 

Erörterung

Der bisher streitigen frage, Ob in den Kling-gedichten die meinung sich ie und allwege mit dem achten bande enden, oder, ob sie sich in folgende sechs letzte bände erstrecken soll?

 

... Dieser frage in etwas nach zudenken, hat mier unlängst ein fürnehmer und gelehrter Freund, welcher mich deshalben durch schreiben ersuchet, anlaß gegeben; dan ich hatte zuvorn weder in Opitzens Dicht kunst, noch bei andern etwas davon gelesen, und es also auch nicht geachtet. Gleichwohl ist Er in diesen gedanken unnd helt gäntzlich dafür, daß im kling-gedichte, es sei in waserlei reimen es wolle, mit dem achten bande die meinung sich ie und allwege zugleich schlüssen müsse, und die folgenden sechs reime solten von selbigen achten durch einen kleinen raum abgesondert unnd unterschieden werden, gleich als wan die obersten achte unnd dan die untersten sechse auch ein besonderes gesätze zusammen machten.

Zum nachricht hatt er das zwei unnd zwanzigste kling-gedichte aus dem Opitz, welches er aus dem Welschen der edelen Dichterin Veronica Gambaren verdolmetschet, angezogen, wie folget:

 

               Kling-gedichte

 

Ob nun wohl dieses, wie ich selbst bekennen mus, viel bässer scheinet, wan zu ende des achten reimes ein schlus gemacht wird, und die folgenden sechse eine meinung anfahen; so halt’ ich doch dafür, daß man sich allzeit daran nicht binden dürfe;

sondern weil das Kling-gedichte nur ein kurtzes sinn-gedicht oder überschrift und kein lied sein soll, da es dan den gesätzen der lieder und gesänge nicht unterworffen, in welchen man sonderliche sätze machen, und zwar in ieden eine gantze folkommene meinung bringen mus, wie man im ehrsten teile unsers Helikons sehen kan. Solte man nun dieses in den Kling-gedichten auch in acht nehmen, so müste dasselbe sechtzehen bände haben, also, dasz das erste gesätze von acht zeilen, das andere wider von achten, und alle zwei einander in schränkungen der reime gleich weren, dasz sie hernach beide eine gleiche gesangweise bekommen könten, und das andere gesätze nach den ersten gesungen werden. Wan man aber ja dieses in acht nehmen, und aus einem Kling-gedichte zwei gesätze machen wolte, so müsten selbige nach der art der Pindarischen lieder gemacht und gesungen werden, solcher gestalt gebe ichs gar gerne zu.

Oder, wan man es ferner in sonderliche sätze teilen, undin ieden satz eine follkommene meinung fassen wolte, dasz es des zu bässer zum singen könte gebraucht werden, so solte man billich drei sätze daraus machen, also, dasz ich das erste gesätze, nach art der Pindarischen lieder einen satz, das andere einen gegensatz, das dritte einen abgesang nennen möchte. Dan das Kling-gedichte, wan wir es recht betrachte, ist nuhr aus zweien vier-zeilichen gedichten (welche die Frantzosen Quartrains nennen) und von einem sechszeilichten (Sixain genennt) zusammen gesetzt; wie bei den Frantzosen und Welschen aus denen Kling-gedichten zu sehen, da sich der erste und vierde reim nur zusammen reimen, der fünfte aber und achte nicht, wie jene, sondern einen sonderlichen reim haben, wider der anderen Kling-gedichte art. Ein solches Kling-gedicht ist bei Opitzen das ein und zwantzigste an der zahl, welches er aus dem Petrarchen verdeutschet, und wier zur nachricht anher setzen wollen.

 

Kling-gedichte

 

Hierneben wil ich dem günstigen leser, dergleichen Kling-gedichte, (wo ichs anders also nennen soll) das auf Pindarischer lider art von mir unlängst, doch nur kurtzweil halben, gemacht ist, fürstellen, weil es vielleicht einem und dem andern gefallen möchte.

 

               Kling-gedichte

 

Solte es aber kein gesang sein, sondern nur ein Sin-gedichte, so achte ich es auch für unnöthig, dasz man allzeit zu ende des achten reimes einen schlus machen, oder das Kling-gedichte in zwei sätze gleichsam absätzen wolle, weil es die Frantzosen und Welschen alzeit auch nicht gethan; wie aus folgendem, welches Frantz Petrarche, der fürnehmsten Welschen Dichter einer, in Welscher sprache seiner verstorbenen Laure zu ehren aufgesetzt, zu sehen ist.

 

               Da più belgi occhi, e dal più chiaro viso,

Che mai splendesse; e da più bei capelli,

Che facean’ Oro, e’l Sol parer men belli;

Dal più dolce parlar, e dolce riso

 

Da le man, da le braccia, che conquiso

Senza moversi haurian qua i più rebelli

Fur d’Amor mai; da più bei piedi snelli;

Da la persona fatta in Paradiso

 

Predean vita i miei Spirti: horn’ ha diletto

Il Re celeste, ei suo’ alati Corrieri;

Eio son qui rimaso ignudo, ecieco,

 

Sol un conforto à le mie speme aspetto ;

Ch’ella, che vede tutti i miei pensieri,

M’impetre gratia, ch’i possa esser seco.

 

 

Klement Marot hatt eben selbiges Petrarchen Kling-gedicht in das Frantzösische auch eben also übergesetzet, dasz die meinung der acht fördersten reime sich in den neunden erstrekket

 

               ...

 

Es seind auch hin und wieder bei unsern Deutschen Dichtern dergleichen Kling-gedichte zu finden, darinnen sich die meinung mit dem achten reime nicht endet, sondern weiter in folgenden erstrekkt. Eines, an der zahl das neun und dreissigste, wollen wir aus unserm Opitzen anher setzen.

 

               Kling-gedichte

 

Auf selbige art ist auch das sieben und dreissigste gemacht, welches, weil es von männlichen sich anfäht, wollen wir es auch anher setzen.

 

               Kling-gedichte

 

Dergleichen Kling-gedichte ist auch das 23, 32, 34, 36, 37, u. a. m. wie ein ieder bei ihm selbsten sehen kan.

So bleibet es dan nuhn schlüszlich darbei, dasz es nicht allzeit von nöten sei, nach dem achten reime des Kling-gedichtes einen schlusz zu machen, so fern es nur ein Sin-gedicht oder eine überschrift soll genennet werden; sondern dasz es bei dem Dichter stehe, und auch zuweilen zierlicher ei, wan die meinung sich mit dem durchschnitt oder mittel des folgenden reimes schleusst; wie im ehrsten teile unsers Helicons ist erinnert worden.

 

 

 

 

 

 

 

 

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