© beim Autor
* 1972
Noch keine Ahnung, Hoffen
höchstens, was geschähe,
Wir trafen uns spontan, ’ne
Kleinigkeit zu essen,
Empfing ich dich. Ein Gruß, ein
Handschlag, unterdessen
wird der Blick geprüft, ob man
sich recht verstehe.
Bestanden. Beide. Später ist
all das vergessen.
„Die Nacht ist, Sieh!...“
– wie ich mich um dich drehe –
Ein Schritt, ich ziehe dich, du
drehst dich, wieviel Nähe
ist erlaubt, und ist uns beiden
zugemessen?
Wir lassen uns im Tanz so
ineinander treiben.
Du gibst dich mir geschmeidig,
ob du selber lenkst;
Ich führ verführt, - Das werden
wir nicht klären müssen.
Nur kurz dein Zögern; („Wird er
länger bei mir bleiben?“)
Ich sag nur „Ja, ich will“ Und
du: Als Antwort schenkst
du mir den Blick, der sagt: „Du
darfst die Braut nun küssen!“
© beim Autor
* 1972 Eng,
fühlsam deine Verse zu mir sprachen;
Ein feines Tuch, aus Grau und
Gold versponnen.
Die Sterne sind noch tausend
ferne Sonnen,
Die Träume sind ein
ungebund’ner Nachen,
mit dem die Seelen in das Blaue
stachen.
Du hast noch Schläuche Wein vom
Trest gewonnen,
Und „Sinn“ klingt noch wie
„sinnlich“ und „versonnen“.
Mir war, daß wir vom selben
Brote brachen,
das wie Erinnerung von
Kuchenstreuseln
auf meiner Zunge süß und schwer
zergeht.
Und wenn Zephyre durch die
Zweige säuseln,
dann weiß ich, was von Versen
fortbesteht:
Es bleibt nichts mehr, als nur
ein Wellenkräuseln
- ein stummer Ton, der in der
Nachtluft steht.
© beim Autor
* 1972 Ich
saß am Weg, die Schwermut neben mir,
da kam die Liebe, schön wie die
Najade.
Ich bat sie näher zu mir, „komm
ich lade
dich zu mir ein; es fehlt dir
nichts bei mir.“
Doch die Schöne sagt nur
säuselnd: „Schade,
gern wär ich geblieben, doch
dies Tier“,
sie deutet neben mich,
„verleidet’s mir“.
Da kam die Wut: „Was soll die
Maskerade;
Du bist die Liebe nicht, nicht
ihre Schwester;
Wenn Du jetzt gehst, dann bleib
für immer fort.“
Ich ließ so weiter meine Dinge
treiben, -
Die Vögel bauten wieder ihre
Nester,
da nahm die Schwermut sich
einmal das Wort:
„Vergiß die Eitelkeit, - ich werde bleiben...“
© beim Autor
* 1972 Ob
dir der Sommertag vergleichbar sei?
Ich hatt’s
verneint, doch heute glaubt’ ich’s gerne.
Ein jedes Jahr
bringt einen neuen Mai,
doch unser Sommer
liegt in weiter Ferne.
Ich schimpfte die
Natur als wetterwendig,
da Stürme früh die
Blütenkränze rauben.
Dich, mein
Liebchen, hielt ich für beständig;
Was gäb’ ich drum,
könnt’ ich es heut noch glauben.
Ich brachte dir das
schönste meiner Lieder,
auf daß du allezeit
unsterblich seist.
Kein Wort, kein Ton
bringt diese Augen wieder:
Niemand ahnt dich,
weiß nur wie du heißt.
Nur ich kenn dich,
vom Zehe bis zum Scheitel;
Der Ruhm blieb mir
allein. Mein Lied war eitel.
2004
© beim Autor
* 1972 Ich
hätte lieber etwas Einträgliches lernen
sollen, Ja, - Es
ist die alte Litanei.
Die Welt ist ernst
und praktisch, lehrt sie, nebenbei
muß sie die
Kirschen noch entsaften und entkernen.
Sie lebt hier fest
verwurzelt. Nichts weiß sie von Sternen
die mich locken,
meinem andren Konterfei,
daß in mir
etwas anderes lebendig sei; -
Ein Nebenher nur
aus Erinnern und Entfernen.
Die Frau, die einen
Namen trägt, der klingt wie meiner,
die auch heut’ wie
selbstverständlich für mich kocht,
so zäh-verbindlich
Ungesprochenes, und keiner
will den Knoten,
der ihn einschnürt, selbst durchschneiden,
lieb und leidig,
ungelegen oft, wir beiden,
gegenseitig
unverstanden, - doch gemocht.
© beim Autor
* 1972 Das
Geheimnis ist nicht leicht zu lüpfen.
Im Vergleich zu
einheimischen Formen,
die mit
jahrhundertalt tradierten Normen
per Reim und Metrum
ineinander knüpfen
Maß und Inhalt, und
stabreimend hüpfen
die Semanzen durch
den Text. Es spricht
noch ebenmäßig
streng uns das Gedicht.
Die Haiku-Regel
scheint uns zu entschlüpfen:
Das Haiku klingt
daneben ungewohnt:
ganz reimlos, auch
der Rhythmus scheint egal,
doch ist es mehr
als bloß die Silbenzahl.
Nur um mal eines zu
zitier’n: „Der Mond
mit Schleppe /
silbrig auf dem feuchten Teer /
zwei
Schneckenspuren“ – oder ungefähr...
© beim Autor
* 1972 Ein
Guß aus blauem Himmel und ich presche
vorwärts, wie man
um sein Leben läuft,
denn hinter meinem
Rücken türmt und häuft
sich schwarz ein Amboß
auf...- noch bis zur Esche. –
Ein Donnerkeil
springt krachend in die Bresche,
Noch lauf’ ich,
doch bin ich schon längst durchträuft
als sich der Guß im
weichen Sand verläuft.
Ein Regenbogen –
heute gibt es bunte Wäsche.
Schon ist’s vorbei,
es bricht sich tausendfach
die Sonne auf dem
Weg und Perlen säumen
lindes Blattwerk an
den jungen Bäumen.
Der Regen dampft
vom glitzernd nassen Dach,
Der Himmel schwelgt
in lichten Farbenträumen
und grüßt mit
letzten Spritzern: Hallo Wach!
© beim Autor für
Manfred Drewitz
* 1972 Antwort auf
"ad lectores"
"Mit Kunst statt Handwerk
sollst du sie verrichten;
Kein Krampf mit Metronom und Steputat"
Ach ja, das hochmoderne Lektorat
lehrt Unverständlichkeit und Formverzichten.
Man sei "Hauptsache anders" in Gedichten.
So alt wie falsch ist dieses Postulat.
"Der Vers sei frei, spontan, das klingt nach Tat!"
Vergiß es. - Für den Nachruhm sollst du dichten.
Der Reim ist alt; Nun sei er neu gewagt.
"Der Avantgarde gebührt der große Preis"?
Es läuft doch ewig nach der selben Masche:
Sonette war'n so oft schon tot gesagt. -
Vertrau dir so wie ich es tu, ich weiß
mir schon das Blau vom Himmel in der Tasche.
© beim Autor
* 1972 Das
Wort Sonette, heißt es, kommt von Klang.
Bei Schlegel wär’ er vielleicht angeeckt.
Der Endreim ist
präzise, knapp, direkt,
doch männlich,
führt er seinen Handlungsstrang
zum Punkt und ohne
Zeilenüberhang,
von Vers zu Vers,
nach seinem Stil korrekt.
Der Clou kommt in
der Mitte, so man’s checkt.
Das Zauberwort: Der
Phasenübergang,
Auch Sprungschicht,
oder ganz profan: Der Knick,
Gibt dem Sonett,
nach Robert, seine Form.
Nichts kommt
gefällig, fügsam oder glatt.
Das Spiel, die
Überraschung, ist der Trick,
wenn er die Regel
reizt, die Norm,
und die Pointe
sorgsam ausfeilt. – Cut!
© beim Autor
* 1972 „Wir
können uns die Löhne nicht mehr leisten;
Die Grundtarife
müssen wir erneuern,
die uns
Investitionen nur verteuern.
Wir brauchen die
Reform für die vergreisten
Sozialsysteme,
Unternehmenssteuern. –
Wir sitzen doch im
selben Boot; die meisten
woll’n doch
bewahr’n, für was sie sich befleißten.
Wer heut zu teuer
wird, den muß man feuern.“
Ich werd den Gürtel
wieder enger schnallen.
Man tut’s, damit
der Schornstein weiter raucht.
Uns gehts noch
besser als den andren allen.
Wenn auch die Bank
erneut den Dispo staucht:
Ich leiste mir auch
weiter, was gefallen
findet, doch – in
Zukunft nur gebraucht...
© beim Autor
* 1972 „Hallo,
wie lang – ach, über’n Jahr ist’s her!
Ja, danke, es geht
besser, ... na, es steht
nicht allzu
schlecht ... ach, wie die Zeit vergeht.
Ruf an; Du meldest
dich ja gar nicht mehr!
Hast Du die neue
Nummer? – Bitte sehr.
Nein. Ich ruf an! –
Wenn man es recht versteht ...
doch reden wir von
Dir: O, mein Poet,
so traurig kenn’
ich dich ja gar nicht mehr...“
Und so im selben
Tonfall weiterplaudernd:
„Nun sag doch was,
und schau nicht mehr so leidend.
Wir konnten immer
über alles sprechen -
Ich bin doch da!“
und endlich sag ich zaudernd:
„Nichts
weiter, – Du erinnerst mich nur
schneidend
an manche Scherben
älterer Versprechen.
© beim Autor
* 1972 Sie
wählt erst Rosen, nein – die sind gewöhnlich,
die fallen jedem
sonst als erstes ein.
Er band ihr
Sonnenbraut und Akelein.
Sie denkt: „Wie er
dem Kranz aus Tausendschön glich,
so unaufdringlich,
treu.“ Sie macht sich fein -
und zögert. –
Schlichter wär persönlich.
Es braucht nicht viel,
und er zeigt sich versöhnlich.
Nun fall’n ihr all
die kleinen Sünden ein. –
Die Stimme zur
Unhörbarkeit gedämpft,
die Hand versteift
sich, die die Blumen hält,
als sie vor ihm um
rechte Worte kämpft.
Sie weiß um die
Vergebung und hebt wieder
den Blick, in dem
ein warmes Lächeln spielt.
Bevor sie geht,
legt sie die Blumen nieder.
© beim Autor
* 1972 Sie
liest von Zeit zu Zeit in ihrem Märchenbuch,
Sucht nach Vokabeln, die sie noch nicht kennt.
Der Grundstein ist
gesetzt, das Fundament
Für dieses Leben,
das sie ausgesucht.
Bald fährt sie in
die Heimat, - auf Besuch; -
Viel höher scheint
ihr dort das Firmament.
Die Flamme, die so
doppelzüngig brennt;
Vertrautheit, ein
befristeter Versuch.
In ihren Augen
hütet sie den Glanz
Und denkt an ihre
Schwester, klopft auf Holz;
Die wird noch
Ärztin! später oder eher...
Heut kommt der
Brief – geschafft! er reicht ihr ganz
Zur Freude – und so
einer Art von Stolz –
Und Zuversicht: Das
Glück rückt langsam näher.
© beim Autor (zu
einer Skulptur von Otto Flath)
* 1972
Verhalt dich ruhig,
oder besser: geh!
Stör nicht den
Betenden in seiner Andacht.
Sprich ihn nicht
an. Mach kein Geräusch. Dann macht
die Leere ihn erst
frei fürs Resümee:
Die Glaubensformel
voll und leer wie je;
Die Stille birgt
das wahre Wort. Er kann sacht,
wenn er in sich den
ersten Funken anfacht
die Seligkeit
erwerben: Die Idee.
Nun auf den einen
Punkt hin konzentriert:
Sie geht ihn nichts
mehr an, die Welt ringsum.
In ihn versunken, unbewegt
und stumm
wächst wohlbehütet
neue Saat heran.
Das Weltenchaos
reift zum großen Plan,
auf eine klare
Linie reduziert.
© beim Autor
* 1972 Dort
hockt er, vor den Stufen hingekauert.
Der alte Tempel ist ihm eingestürzt,
Die Säulen barsten
und die Brüstung schürzt
nur Efeu, der den
kalten Stein betrauert.
Sein Gott, auf eine
klare Form verkürzt,
hat seinen letzten
Sturm nicht überdauert
und in jeder
Mauernische lauert
ihm die Flammenschrift.
Ein Dämon würzt
die Luft mit Asche.
Kalt und abgefeimt
versucht er sich
vorm rauhen Wind zu schützen,
doch aus
spiegelblanken Regenpfützen
leuchten heiter
wilde Heckenrosen.
Schau hin: In
zarten Blüten, weichen Moosen
scheint die Gottheit
wieder auf und keimt.
© beim Autor
* 1972 Was
soll’s bedeuten, daß man aufrecht geht?
Was sind wir
wirklich einem Tier voraus?
Wir kennen uns
auf’s Trefflichste drin aus
uns zu erklär’n,
warum die Welt sich dreht.
Wir haben Sprache
und das Alphabet,
und kennen manchen
Teil des Weltenbaus.
Wir streben in ein
fernes All hinaus,
und glauben, daß
man die Funktion versteht.
Doch jagt man
weiterhin nach seinem Glück;
Es hat sich nichts
geändert seit Stonehenge,
seit Mose,
Gilgamesch und Sysiphus:
Es wirft uns immer
wieder neu zurück.
Nach allem
Fortschritt bleibt es, daß der Mensch
zuerst um die
Bestimmung wissen muß.