ZaunköniG                           Manifest des Dichters

© beim Autor

* 1972                                                    Der feinste Stoff fängt sich in feinsten Netzen.

Sei klar: Sortier dich, statt dich bunt zu mischen.

Laß dir kein Regelwerk als Zwang auftischen

und scheu dich nicht vor strengeren Gesetzen.

 

Klappts nicht? Man darf halt nicht im Trüben fischen.

Zu grober Stoff, reißt dir das Netz in Fetzen.

An scharfen Kanten läßt’s sich leicht verletzen.

Es heißt erst faule Worte aufzufrischen.

 

Wenn dir der glatte Zug auch einmal stockt,

wenn sich der Blick im Nebelgrau verliert

reicht oft ein Hauch, daß deine Trübnis flockt.

 

Bleib ruhig, laß den Staub und Dunst sich legen.

Halt dann dein Netz der klaren Luft entgegen

und warte – bis dein Verschen kondensiert.

 

 

 

 

ZaunköniG                           Der Tod

© beim Autor                                     (Nach einer Skulptur von Ernst Barlach)

* 1972                                                   

 


Nun ist es gut, mein Weg verläßt die Welt.

Legt diesen Körper ab, wie ich es tue

und friedlich eingebettet in die Ruhe

der Schöpferkraft, die mich in Händen hält,

 

weiß ich mich heimgekehrt. Es sind gezählt

die Tage, meine Taten abgewogen,

der Geist von seinen Ämtern abgezogen.

Es steigt die Flamme, wie die Asche fällt.

 

Das Fleisch darf ruhen, das so lang geschunden

und meine Seele darf sich frei erheben.

Nun bin ich endlich allem Leid entbunden;

 

drum trauert nicht, doch was von meinem Leben

euch wert war, oder nur dafür befunden,

das sei von nun in eure Hand gegeben.

 

 

 

 

 

ZaunköniG                           Tod im Leben

© beim Autor                                     (Nach einer Skulptur von Ernst Barlach)

* 1972

Es tut nicht weh. Ist es nun ausgestanden?

Vielleicht, doch gab es hier nichts zu gewinnen.

Es ist kein roter Faden zu verspinnen;

Mein Herz schlägt mich mechanisch hart zu Schanden.

 

Vergeblich such ich Antwort in den Sinnen,

mit Blicken, die sich auf die Seele wandten:

zu suchen, was sie in der Welt nicht fanden.

Ein ausgehöhltes Schweigen lag darinnen.

 

Wo liegt in diesen Sinnen Sinn? was ist’s:

Mein Fühlen, über das ich lange sann?

Die Hände ringen nach Begriff...  was ist’s,

 

das meiner kalten Finger Sehnen spann

auf meiner hohlen Wangen Haut?   Was ist’s,

das ich betasten, doch nicht spüren kann?

 

 

 

ZaunköniG                           Frau im Wind

© beim Autor                                     (Nach einer Skulptur von Ernst Barlach)

* 1972

Mit ihrem Umhang spielt ein leichtes Wehen

und auch ihr Haar läßt sie den Winden gerne...

- vielleicht doch eher teilnahmslos. Nicht Sterne

nicht Natur läßt ihren Blick sich drehen.

 

Woher der Wind geht, sieht sie in die Ferne,

doch was sie sucht, das wird sie dort nicht sehen.

Sie weiß es, kann sie ´s auch nicht ganz verstehen.

Sie braucht noch Zeit: zum Schauen, Zeit zum lernen.

 

Die Hand liegt auf der Brust. Sie hält. Sie fühlt.

Sie hält den Umhang, der den Körper hüllt

und zeigt in ihrer Haltung mehr: Sie friert.

 

Sie wärmt sich selbst und zeigt: ja, hier,

Dein Atem ist mit Sinnlichkeit gefüllt.

Verborgen liegt die Antwort tief in Dir!

 

 

 

 

 

ZaunköniG                           Die lesenden Mönche III

© beim Autor                                     (Nach einer Skulptur von Ernst Barlach)

* 1972

Nichts ist so leicht, wie’s auf dem Einband schien.

Das Buch, es lastet mit der ganzen Schwere

jahrtausendalter überbrachter Lehre

fordernd diesen Mönchen auf den Knien.

 

Staunend, fragend nähern sie sich Ihm.

Ein einzig Wort kann hunderttausend nähren,

doch ist’s ein hartes Brot, davon zu zehren.

Mal scheint’s sich aufzudrängen, mal zu fliehn.

 

Gut dreißig mal sollst du den Bissen kauen.

Freu dich, frage, bitte oder büße;

Brich der Menschensprache Schale auf,

 

so wirst du hinterm Wort die Wahrheit schauen.

In allen deinen Sinnen geht sie auf,

in Klang und Bild und unerlebter Süße.

 

 

 

 

ZaunköniG                           Der Einsame

© beim Autor

* 1972                                                    Der lose Blick sucht noch die nächsten Schritte,

Er sieht und sieht doch nicht, und ungefragt

erstirbt das Wort in seinem Mund, beklagt

die ganze Haltung die verlorne Mitte.

 

Nicht Hoffnung ist zu sehn, ja, nicht mal Bitte;

Er wendet, windet sich, versucht verzagt

das Dunkel abzuschütteln das ihn plagt,

das ihn von aller Freude abgeschnitten.

 

Suchend sein verlorenes Gesicht:

Zufrieden ist er nicht mit seinem Stand.

Gebeugt verlagert er sein Gleichgewicht,

 

Fast unkenntlich die Glieder im Gewand.

Ganz eng am Leib behütet er sein Licht.

Es leuchtet – unter vorgehaltner Hand.

 

 

 

 

 

 

 

ZaunköniG                           Heiliger Krieg

* 1972

© beim Autor                                     Den rechten Weg wies ihnen Gottes Fackel

und sichrer Pfad erstand vor ihnen, wo

noch eben Meer lag, um dann ebenso

sich neu zu fluten. „Gott hat die Tentakel

 

des Biestes abgeschlagen und den Makel

von der Welt getilgt: Das Heer des Pharao

dem Richter vorgeführt! Tohu wabohu!

War das ein prächtig grausiges Spektakel!“

 

Sie feierten die Väter und Propheten,

Jedoch ihr Siegerglück war nicht von Dauer.

Gott selbst ergriff das Wort in seiner Trauer:

 

„Euch freut ihr Tod, tragt selber keine Narben

und wißt nicht, daß dort meine Kinder starben?“

Da schwieg das auserwählte Volk betreten.