* 1972
© beim Autor I.
Man ahnt schon, was sich da zusammenbraut.
Die Konkurrenz liegt ständig auf der Lauer.
Setz ich den letzten Stein schon jetzt als Bauer?
Nun, es gewinnt nicht, wer dem Glück nicht traut,
doch andrerseits ist es auch manchmal schlauer,
wenn man auch etwas auf den Gegner Schaut.
Nur allzuschnell ist mir das Feld verbaut
und Grun besetzt die Stadt und nicht mein Grauer.
Was zieht man da!? - es war so schön geplant; -
Nun gäb es ein paar schöne schnelle Punkte,
doch wie ich letzte Runde selber unkte,
wird keine große Siedlung abgesahnt.
Statt dem: Ein Kloster ohne weg gefunden.
Nur leider alle Leute schon gebunden.
II.
Da hätte Grün sich beinah vollgesogen;
Um meine Kathedrale brennt die Schlacht.
Drei Männer hat er dafür eingebracht,
doch ist das Spielglück diesmal mir gewogen.
Den Städtetrenner hab ich grad gezogen
und schnell die letzte Lücke zugemacht.
Zwar bringt die Stadt nur 3 x 8,
doch ist das gröbste Unheil abgebogen.
Und endlich hab ich wieder einen Stein.
Der Feind schleicht sich in andre Städte ein,
doch gleich krieg ich den nächsten Mann zurück.
Es wendet sich so Zug um Zug das Glück:
Ein Kloster mit Weg; und mein grauer Riese
beherrscht allein die nun verbundne Wiese.
* 1972 Endakrostichon
© beim Autor
DER MORGEN FÄNGT GUT AN MIT ETWAS BRIE
ALTERNATIV WÄR AUCH EIN ROQUEFORT CHIC
DIE FESTEN SORTEN SCHNEIDE
NICHT ZU DICK
GIBTS WEIN DAZU VERGISS
NUR VORHER NIE
DASS MAN IHN TEMPERIERT UND DEKANTIERE
WER JE EIN GUTES FRÜHSTÜCK ZU SICH NAHM
MIT FRISCHEM KRÄUTERQUARK VOM DOPPELRAHM
UND KANAPÈES DIE MAN MIT LACHS GARNIERE
UND EINER KLEINEN PREISELBEERPORTION
WAHLWEISE TRINK DAZU CAFÈ AU LAIT,
KAKAO (DEN UNVERFÄLSCHTEN, NICHT NUR KABA)
ICH SEH; DAS FÜHRT SCHON ZU SEHR INS DETAIL
DOCH ROTWEIN NIMM AM BESTEN VON DER RHÔNE
ALS WEISSEN: RIESLING - OHNE WENN UND ABER
* 1972 (aus
dem französischen Blatt von ASS)
© beim
Autor
Der Blüte voller Duft ist ganz
verschwendet; -
Doch nein! ein leichter süßlicher Geruch
hängt ihr im Sinn: ein transzendetes Tuch,
und außer dem ist alles ausgeblendet.
Die Lippen sind der Süße zugewendet;
Ein Lächeln blüht in jedem Atemzug.
Dies ist Vollkommenheit, es ist genug
für diesen Augenblick an Glück gespendet.
Dort zeigt, wenn sie sich unbetrachtet glaubt,
sich an dem dunklen Herz die zarte Seite.
Geheimnisse pflegt sie auf manche Arten,
doch wenn sie sich die Blütenschätze klaubt,
verirrt ihr Blick in ungeahnte Weiten
und spielt so unversehens mit offnen Karten.
(aus einem anderen
Blatt)
Von wem empfing sie
dieses Liebespfand?
Es ist eins, denn sonst schenkt man keine rote,
doch freundlich unverbindlich blieb der Bote;
Der gute Geist bleibt vorerst unbekannt.
Die Blüte welkt in ihrer warmen Hand,
die zart nach diesem kleinen Rätsel spürt.
Fast ist's, als hätte sie es schon berührt.
Hat ihr der König seinen Gruß gesandt?
Macht ihr der Bube so verblümt Avancen?
Sie sinnt, was diese Geste ihr verspricht;
sie prüft die Möglichkeiten und Nuancen,
was sie erwidert, doch sie weiß es nicht.
Spielt sie ihm zu, hat sie wohl gute Chancen,
doch ist noch nicht gesagt, wer letztlich sticht.
* 1972
© beim Autor Sich
den gegebnen formen anvertrauen
heißt, sich zu schmiegen, wie ein keuscher Kuß.
Es gilt, die klaren Verse nicht zu stauen
noch zu verschwenden in bestürztem Guß
Beinahe wie ein Mantra schreibt der Fluß
verschlungene Mäander in die Auen.
Ein inneres Gesetz, dem folgen muß,
wer je bereit war, die Figur zu schauen.
Ein Fluß, der beide Ufer gleich begehrt,
sich mal zu diesem, mal zu jenem zieht
und selber nicht ganz weiß, wie ihm geschieht,
wenn er sich windend weiter abwärts kehrt,
durch Alpen, Hügel oder Marschgebiet,
bis er sich letztlich in sein Meer entleert.
* 1972
© beim Autor Das
Meeresrauschen legt sich wie ein Schleier,
* 1972
© beim Autor
Es ist Konkretes, was sich hier verliert;
Da wölbt sich Eines in gehalt'ner Leere
und es entreißt ein Andres seiner Schwere.
Das Eisen hängt im Raum wie projeziert
und wie Gedanken wollen ihm entwachsen
zwei kleine Flächen, himmelan verschoben.
Und doch zu deutlich abgegrenzt nach oben,
geerdet durch imaginäre Achsen.
Idee an sich ist reine Abstraktion,
Analogie auf eine Ähnlichkeit
von Schwerelosigkeit und freiem Fall.
Das Bei- und Ineinander: Holz, Metall,
das sich wie beiläufig durchdringt, bereit
zum Absprung in den Saiten, wie ein Ton.
* 1972
© beim Autor
Durch seine Patina glänzt
Kupferröte,
und tänzelnd wippt der Fuß zur Melodie
so leicht
wie eine Vogelsymphonie
streckt sich sein Schwindleib, schlank wie seine Flöte.
Er spielt die Notenleiter auf; wie Kreise
des Himmels jede weitere Oktave,
und keinem Menschen gilt sein frohes Ave,
für sich und die Natur spielt er die Weise.
Wenn er nur sähe, was um
ihn passiert.
Wenn nur sein Ohr ein
Stückchen Umwelt wähne,
das ganz im
eignen Spiel gefangen ist,
säh er den Strahl, der sich bald selbst gebiert.
berauscht' er sich am
Rauschen der Fontäne,
die seiner Melodie ein Gleichnis ist.
* 1972
© beim Autor
Was ist es, das nach
meinem Tod verbleibt?
So manches 'Wunder' hattet ihr bezeugt,
doch eine Sterbliche hat mich gesäugt.
Ihr schaut mich an und seht den schwachen Leib,
doch glaubt mir: Dieser Tod ist nicht das Ende.
Die schöpferische Kraft kann nicht vergehen;
sie wird in neuem Geiste auferstehen.
Ich lege diese Welt in eure Hände.
Heut bin ich Opfer blankem Neid und Hohn;
Wer las es recht, das Wort vom 'Gottessohn'?
Wird alles, was ich je erreicht zerstauben?
Wie Samen von den trocknen Halmen wehen,
zerstreut sich auch mein Geist, aufzuerstehen;
die Macht, sie liegt von nun in eurem Glauben.
* 1972
© beim Autor
Chagall! Du hast die Schöpfung nachgeträumt;
als wölbte sich ein Urmeer überm Raum,
so fügt sich Leben aus dem Wellenschaum
und strebt ins Licht, von Maßwerk klar gesäumt.
Ein Fingerzeig rührt an die Buntglasflächen,
fast wie ein Tropfen, der ins Wasser fällt.
Des Herrlichen Allgegenwart erhellt
den Raum und will in Bildern zu uns sprechen.
Erholsam, wie ein offner Blick ins Meer,
vertraut, als hätten wir Erinnerungen
an jene Zeit und schaun die Wiederkehr.
Fünf Fenster, die im Chor die Zeiten lindern,
das Weltleid hingehaucht, fast wie gesungen
und selbst die Engel gleichen noch den Kindern.
* 1972 nach
der Himmelfahrtsmesse im Mainzer Dom
© beim Autor
Ganz wie ein Echo aufwärts hallt im Tal,
erhebt sich die Gemeinde auf und singt.
So friedlich, wie das Weihrauchpendel schwingt,
so neigt und so erhebt sich der Choral
und stößt an jeder Wand auf Resonanz;
die ganze Kuppel eine Klangfigur.
Ein Bildnis ohne Bild zu sein, Natur
des Himmelfahrtsgedankens und dr Glanz
der Schöpfung, die sich jeden Tag erneuert,
von einem Wort in immer neuen Liedern.
Von so direkter Antwort angefeuert,
stimmt eine Seele in die andre ein,
bestimmt ein Allbewußtsein jedes Sein
und hell klingt es aus jeder Sphäre wieder.
* 1972
© beim Autor
Als nannte jemand den verborgnen Namen,
erklang ein Ton, der wie von Geisterhand
durch unsre Haut drang, die, wie aufgespannt
auf fremder Seele körperlosem Rahmen.
Wie Nebel füllte Sehnen unsre Lungen,
die ganze große Partitur zu lesen,
und so begriffen wir der Sterne Wesen,
wie eine dieser fernen Spiegelungen.
Du aber warst so nah, so unerhört.
Als brachest du für mich zuerst das Siegel,
glichst du der Unschuld wie ein Wasserspiegel,
von Lichtern sanft gesäumt und schaumgeboren,
der jede Spur von Näherung zerstört
und gabst auch mich im Wellenspiel verloren.
* 1972
© beim Autor
Ich bin die Schöpfung einer starken Hand,
als eine Mauer Stein auf Stein gesetzt;
dem Regen, der mich fugentief benetzt
so ausgeliefert wie dem Sonnenbrand.
Noch ist es Morgen und die Sonne mild,
bald faßt mich Mittagsglut unmittelbar,
doch bleib ich stumm, bleib ungerührt und starr.
Mein Sein ist Ding, ist Grenze und ihr Bild.
Natur? Nur etwas Vogelkot und Harn,
den andre im Vorüberziehn verloren...
Lebendiger Gedanke, auszusporen!
Wie wünsch ich mir mitunter einen Farn,
ein wenig Schatten, wenn die Sonne sengt;
was kümmerts mich, wenn er mich nächstens sprengt.
* 1972
© beim Autor
Und schließlich kam ein Engel hergestürzt,
weil doch im Himmel nichts vollkommen wäre,
und er verließ das wolkig-ungefähre -
Von Schweiß und Nektar war die Welt gewürzt
und von Geräusch erfüllt war'n die Gefilde.
Bald faßt er Fels, bald seidig weichen Mohn,
betastet den geschmeidig weichen Ton
und formt den Klumpen neu nach seinem Bilde.
Und alles was noch Geist war, ferner Dunst,
das sollte nun der Erde Vielfalt mehren.
Einst war ein Traum, aus dem die Stoffe sind,
dann wurde aus belebter Erde Kunst
und für das Innere der Dinge blind,
versuchte er die Steine wachsen lehren.
* 1972
© beim Autor
An
Wochentagen büffelt Anna JurA
und refferiert in NadelstreifenhoseN
von Frau'n- und Bürgerrechten der FranzoseN.
Sie lächelt in die Camera ObskurA,
denn Samstags schaun die Mitstudenten tumB,
sehnt Anna sich nach der GalanteriE,
wie man sie übte Anno DominI.
Im Fransenfetzen wirbelt sie heruM.
Auch als Vernunftsmensch pflegt sie ihren TiC
und von den Rängen schallt es HosiannA!
Sie schlägt die Jungens leicht in ihren BanN,
lauscht auf ein 'mon cheri', auf ein 'trés chiC',
doch niemand traut sich, und so tanzt halt AnnA
mit ihrer Weiberclique nachts CancaN.
* 1972
© beim Autor
Der Weiblichkeit fehlt irgendwo ein RaD.
Was frau als A und O gilt ist mir I.
Die erste Dame litt an BullemiE,
lief nach dem Abendessen gleich ins BaD
Was Sie mir bieten können auf die SchnellE,
beweist ein gut Gespür - für ihren SäckeL.
Auf jeden Topf, so heißt es passt ein DeckeL!
Die zweite war zwar hübsch, doch nicht sehr HellE;
Es tut mir leid, sie selbst war ein Faux PasS.
Die dritte alle Stunde grundlos heulT,
die vierte inszeniert ihren BallonpO
in Divapose, als sei sie die MonroE,
die sie vor zwanzig Jahren auch nicht waR;
Die Deckel sceinen mir doch arg verbeulT.
* 1972
© beim Autor
Es lebt sich gut, dort wo die
Schwaben leben.
Die doch zu klagen haben fragen Christ.
Der Gnädige gibt eine Kragenfrist,
wo andernorten schon die Raben schweben.
Man muß den Menschen nur zu laben geben;
Eßt gut, denn das, was ihr im Magen wißt,
tut auch der Seele gut. Ein Wagen Mist
und auch die kargsten Hänge gaben Reben.
Die Kostverächter sind gemeine Heiden!
Kein Hokuspokus mehr im Weidenhaine!
Heißts irgendwo: "Du sollst die Weine meiden!"?
Doch kipp nicht runter seine feine Seele; -
Der ein und andre reut schon seine Fehle;
Zuviel des Guten machte beiden Beine...
* 1972 frei
nach Rike
© beim Autor
1
Als sei das Leben nur Präludium
des Unerklärlichen, zeigt sich dein Herz,
nun da es fehlt. - Kein Beifall himmelwärts -
Am Ende schweigt dein treues Publikum.
Als niste sich die Angst im Namen ein,
versuchen wir demselben auszuweichen,
den nur ein Stein bekennt mit klaren Zeichen.
Und schlägt man unsre Namen einst in Stein,
liegt auf der Zunge denen, die uns nannten,
die Last, und diese ringen mit den Händen.
Als sei er absoluten Klanges Zeuge,
muß sich der Liebende vor dir verbeugen.
Die Erde singt dich! - Muß dein Herzschlag enden,
geht doch dein Mund hervor ins Unbekannte.
2
Ich komme und verneig mich immer wieder
vor deines Grabes unscheinbarem Leben.
Du hattest deinen Frieden übergeben
dem satten Immergrün, dem zarten Flieder.
Der Lenz beginnt den Marmor zu bestreichen
und Lebensgrün schwillt an wie eine Flut.
Du bietest mir den weißen Fingerhut,
doch was kann ich dir in die Erde reichen?
Bevor sie seine Blüte eingenommen,
mußt sie sich in die Tiefe fallen lassen.
Zu diesem Kelch muß sie von unten kommen.
Wir Lebenden sind, Säulen gleich, verlassen.
Ein Bett erhebt uns noch, um zu erreichen,
daß wir dir auch in unserm Schlaf nicht gleichen.
* 1972 frei
nach Rilke
© beim Autor
Daß mir von dir noch eine
Weisheit werde,
die du zurückfällst in dich selbst, Fontäne;
aus abenteuerlichen Wassern, jenen,
die himmelstümend wiederkehrn zur Erde.
Wenn man dein vielgestimmtes Murmeln hört,
glaub ich, brauch man kein besseres Exempel,
als dich, du lichte Säule eines Tempels,
die sich durchs eigne Wesen selbst zerstört.
Wie deine Wasser fallend, steigend tanzen,
spür ich dir nach, unendliche Nuancen
notiere ich, dein eifriger Student.
Was überzeugt mich mehr als dieses Singen,
das man als Atemholen wiederkennt,
wie du passierst im Fall dein eignes Springen
* 1972 frei
nach Rilke
© beim Autor
Ein steifer Wind zerrt an den Fahnenrändern,
vom teilnamslosen Himmel überspannt.
Zum Abend fordert er sein Farbenpfand
und bietet sein Azur nun andern Ländern.
Oh Wind, der über Turm und Firste weht
und sich dort unbefangen leicht bewegt,
daß bald der Fahne Zeichnung voll ersteht
und sich im nächsten Zug in Falten legt.
Oh, wie von Stolz erfaßt die Szene ist,
wenn sich der Wind als Patriot erklärt
und auf der Böe Frankreichs Fahne hisst;
und wie von Irlands Harfenspiel betört!
Den Sieg gewiß, die Fahne lächelnd schweigt,
als ob ein Spieler seine Trümpfe zeigt.
* 1972 frei
nach Rilke
© beim Autor
Als ob dort
umgestülpte Stille summt,
und rings will alles sich im Rausch verbreiten,
im Hin und Wieder ewiger Gezeiten.
Ergriffen horchen wir nur blind und stumm.
Und angerührt vom so durchbebten Raum
erleben wir das Sein so voll und wach. -
Das soll genügen: unser Ohr ist flach,
und ahnt den Saum der Weltohr-Muschel kaum.
Wie Bronzegötter waren wir noch eben,
geschmolzen für ein Höheres im Tiegel.
Und sieh: Massive goldne Götter beben.
Beeindruckt durch den zitternden Gesang
erschaun wir überall der Götter Siegel;
Vollkommen hebt sich lautres Erz zum Klang.
* 1972
© beim Autor