ZaunköniG                            Gefällig

* 1972                                                   10. Sonettenkranz

 

Es schien eine flüchtige Regung zu bleiben.

Aufs Neue die alte empfindsame Stelle

zu rühren, versagte ich mir auf die Schnelle.

Ich sann das Gefühl für dich zu hintertreiben.

 

Mit unmerklich weiteranschwellender Welle,

die droht mich alsbald in sich einzuverleiben,

muß ich mich loslassen, weiterzutreiben.

Ich weiß es: Die Wogen erreichen die Schwelle

 

an der ich genötigt bin, mich zu bekennen,

an der ich entscheide: Versuchen / Verlieren.

Ich kann bisher kaum meine Ziele benennen,

 

ich muß mich für Unschlüssigkeiten genieren,

wo allerorts Ahnungen in mir entbrennen.

Ein vermißtes Gefühl will sich neu etablieren.

 

 

 

I.

 

Ein vermißtes Gefühl will sich neu etablieren,

anders, als was sich mir heute bemächtigt,

so fahrig und undefiniert, wie übernächtigt

durchs Morgenrot in meinen Kopf zu lavieren.

 

Du hast mich vielleicht bereits leise verdächtigt,

doch hast du ein eigenes Los zu parieren.

Galant kann es gelten Gefühl zu codieren,

doch Klarheit scheint angebracht und auch berechtigt.

 

Ich denk an die Lesung bei dir an dem Teetisch;

Ich fürchte ich könnte auch dir bald so schreiben,

schon dieser Vers möglicherweis’ wirkt promethisch.

 

Warum ließ ich mein Gefühl so lange treiben?

Ich traute mir nicht, aller Wert klang pathetisch.

Es schien eine flüchtige Regung zu bleiben.

 

 

 

II.

 

Es schien eine flüchtige Regung zu bleiben,

ich würde dich früh oder später vergessen.

So hielt ich es lange für unangemessen,

darüber ein Wort zu verlieren, zu schreiben,

 

was hinter gemeinsam erkannten Int’ressen

für Reize ihr eigenes Spiel mit mir treiben.

Ich wollte doch unbedingt selbstbestimmt bleiben,

doch was ich da fühle, das führt unterdessen

 

zu anderen, viel zu gefährlichen Schwüren.

Was keimt, aus der lang kaum beachteten Zelle,

beginnt, lang geführt, alsbald selber zu führen,

 

bedrängt meinen Stolz in das weiche Gefälle,

und was du auch sagst; deine Worte berühren

aufs Neue die alte, empfindsame Stelle.

 

 

 

III.

 

Auf’s Neue die alte empfindsame Stelle,

und hüte ich sie noch so streng und hermetisch

und warne mich dringend vor jeglichem Fetisch,

ersteht mir zur allüberschäumenden Quelle,

 

entsteigt meinem Denken und schwebt gravitätisch

durch alle Synapsen in jedwede Zelle.

und kippt alle Schalter von Zweifel auf Helle.

Es nutzt nichts, sortier ich mein’ Geist alphabetisch;

 

Mein Fühl’n macht sich all meine Pläne zu eigen.

Mein Kopf, eh’ dem Meister, dem Herzen Geselle

muß sich vor der Macht der Hormone verneigen.

 

Auf Anhieb zu viel, was ich dir unterstelle,

zu werden für mich, deshalb: An meinem Schweigen

zu rühren versagte ich mir auf die Schnelle.

 

 

 

IV.

 

Zu rühren versagte ich mir auf die Schnelle,

auf Grund dieses Anlaß’ der rudimentär

nur als Grund taugt, mein Herz, das mir imaginär

desto trotz jede mutmaßliche Bagatelle

 

auf meine Agenda schreibt, so kreuz und quer,

damit es den Blick auf was andres verstelle,

was immer da wär; Es bleibt nur dies’ spezielle

Gefühl ohne jede Kontur und Gewähr;

 

zerfalle ich in archimedische Punkte;

gelingt es nicht aus deinem Bannkreis zu treiben,

als wenn ich mein Herz schon in Weihwasser tunkte,

 

muß jeder Schritt fort von dir streng unterbleiben.

Dein Schwerefeld hingegen zündet und funkte;

ich sann das Gefühl für dich zu hintertreiben.

 

 

 

V.

 

Ich sann das Gefühl für dich zu hintertreiben,

denn nur durch mein Wünschen entstünde Entbehrung,

doch war mir auch das nur ´ne neue Belehrung;

die Sinne sind sinnlich und wollen es bleiben.

 

Umsonst bot ich Tausch für ´ne andere Währung;

sie wollen viel mehr als ein Spiel mit mir treiben,

versuchen, dich mir in mein Herz einzuschreiben

Erwarte von mir bitte keine Erklärung;

 

Ein Wunder erklär’n heißt: ein Wunder zerstören.

Noch deute ich selbst kaum die keimende Helle

und weiß nicht: wem werde ich morgen gehören;

 

Ob mir oder dir, ob die arteriellen

Verwünschungen meinen Lauf nachhaltig stören

mit unmerklich weiteranschwellender Welle.

 

 

 

VI.

 

Mit unmerklich weiter anschwellender Welle

pulst durch meine Adern still Tropfen für Tropfen

gesalzenen Blutes; die Blutplättchen klopfen

um Leben an, an jeder dürstenden Zelle,

 

die weiß nicht, wo bleibt welches Leck noch zu stopfen.

Schweratmig - eine gefangne Forelle –

mein Herz, ohne Luft, ohne Zug Richtung Quelle.

Die Wünsche zerfasern; ich such sie zu zopfen,

 

was übrig blieb von der Gewissheit zu bündeln,

statt daß sie ihr Spiel mit den Sinnen betreiben.

Hormone am Boden der Herzkammer gründeln;

 

sie wollen nicht in ihren Bahnen verbleiben,

und finden auch immer die Flamme zu zündeln,

die droht mich alsbald in sich einzuverleiben.

 

 

 

VII.

 

Die droht mich alsbald in sich einzuverleiben,

die Muse, die sich mir fast unmerklich nahte.

Und was sie für mich so gewissenhaft garte

ist mehr als der Wunsch mich bald neu zu beweiben.

 

Sie ist es auch, die mich vor Pathos bewahrte,

verleitet es mich manchmal zu übertreiben.

Ich kann jede Zeile getrost unterschreiben.

Ich les es aus jedem Stern, aus jeder Karte;

 

Mein Weg ist auf lange Zeit wieder verbindlich.

Ich schreibe dir, hier, unterm Schatten der Eiben,

und alles erinnert und träumt mich so schwindlich

 

und läßt mich so manche Gewissheit zerreiben.

Sind mir die Gründe auch noch unerfindlich,

muß ich mich loslassen weiterzutreiben.

 

 

 

VIII.

 

Muß ich mich loslassen, weiterzutreiben?

Ich prüfe die Gründe und ihre Gewichtung:

Es gibt weder Gründe, noch andere Richtung.

Ich würde für dich immer anfällig bleiben.

 

Mein Leben erfährt eine neue Verdichtung:

Nichts hindert mich mehr in dein Schußfeld zu treiben.

Vertrauensvoll biete ich mich dir zur Scheiben,

vertraue nur dir, deiner Scheu vor Vernichtung.

 

Die Macht über mich leg ich in deine Hände;

Die Wahl deiner Waffen, triff nicht auf die Schnelle,

daß ich meine Hoffnung nicht gänzlich verschwende.

 

Die Spitze von Witz? – oder die hormonelle?

Ich geb dir im Überfluß meine zur Spende;

Ich weiß es die Wogen erreichen die Schwelle.

 

 

 

IX.

 

Ich weiß es, die Wogen erreichen die Schwelle

ab der es für mich keinen Schritt mehr zurück geht.

Ich weiß noch nicht, wie’s um den Held in dem Stück steht;

Mein Arm reicht nicht weiter als Speiche und Elle,

 

und wie man sich vorteilhaft in deinen Blick dreht,

gibt’s keinen Trick, noch gibt es professionelle

Routine, bin kein Meister, nicht mal Geselle,

weiß nur daß die Prüfung mir nun im Genick steht.

 

Ich kann meinen Einflüst’rer nicht länger knebeln;

Ich wünsche mir selbst, daß wir etwas begännen,

doch unsere Freundschaft aufs Glatteis zu hebeln,

 

das scheu’ ich mich noch. Jedoch muß ich erkennen;

die Frage erklärt sich nicht selbst aus den Nebeln,

an der ich genötigt bin mich zu bekennen.

 

 

 

X.

 

An der ich genötigt bin mich zu bekennen,

die eine ist just in mein Leben getreten.

Du weißt, daß du’s bist, unverlangt, ungebeten,

versuchtest du nie mir das Herz zu verbrennen.

 

Und doch stehen grinsend vor mir die Propheten

und freun sich, was sie für Gemeinheiten kennen,

doch soll’n die sich von ihrer Vorstellung trennen!

Ich werde mich leise dir anbeschwör’n, beten;

 

und hörst du mich nicht, nun, dann sag ich’s dem Winde.

Der soll neue Worte im Sturme gebieren,

auf daß ich das rechte, das glückliche finde.

 

Zu lange schon ließ ich mein Glück nur passieren;

die Stunde erwartet mich, da ich mich binde,

an der ich entscheide: Versuchen/Verlieren.

 

 

 

XI.

 

An der ich entscheide : Versuchen / Verlieren,

die Frage, die keine mehr ist, die Vermutung,

Gewissheit droht mir jede Stunde mit Flutung,

solt’ ich länger um die Entscheidung lavieren.

 

Und hilft keine Traufe, so folgt die Verglutung.

Ich bräuchte ja nur 1 und 1 zu addieren.

Was kann mir denn schlimm`res als Warten passieren?

Du reißt meine Wunden und stillst meine Blutung.

 

Ich glaub’s nur zu gerne: Du bist meine Heilung!

Ich will dich bei deinen Bedeutungen nennen,

Doch Namen sind Fakten, sind Grenzen, sind Teilung.

 

Nicht mehr als mein Unverstand kann ich bekennen.

Die Stunde entscheidet und drängt zur Beeilung;

Ich kann bisher kaum meine Ziele benennen.

 

 

 

XII.

 

Ich kann bis hier kaum meine Ziele benennen;

Ich weiß nur: Ich möchte dich näher und näher,

doch auf meinen Anlauf folgt immer ein Dreher,

und glaube bereits deine Antwort zu kennen.

 

Ein „Nein“ täte weh’, doch das Warten tut weher.

Ein Störfeuer zuckt mir durch meine Antennen.

Ich muß meinen Sinn von Erfahrungen trennen

und hör’n auf mich selbst, nicht auf Spitzel und Späher.

 

Die Antwort, was du willst, kann ich mir nicht geben.

Muß ich meine Hilflosigkeit akzeptieren?

Es ergab sich halt so und ich hab mich ergeben.

 

Ich will meine Zukunft bald neu generieren.

Am Anfang das Wort, schafft vielleicht neues Leben.

Ich muß mich für Unschlüssigkeiten genieren.

 

 

 

XIII.

 

Ich muß mich für Unschlüssigkeiten genieren;

Ich habe in mir doch die Antwort gehört,

und bestätigt und hab’ jeden Einwand der stört

widerlegt. Ich kann gar nichts, als nur zu probieren.

 

Bevor man sich um fehl’nde Chancen empört,

muß man handeln die einzige nicht zu verlieren.

Die Lehre vernunftgemäß zu akzeptieren

ist eines; das was jeder Nebensatz schwört,

 

ist die Mahnung, daß offenes Feuer verletzt.

Das Gefühl jede Klippe und Fährnis zu kennen

ist Grund allein, der mir die Zukunft versetzt,

 

für ein zweifelhaft Gegenwart zählen u. nennen,

Ein andres Gefühl sprengt mein Hier und mein Jetzt,

Wo allerorts Ahnungen in mir entbrennen.

 

 

 

XIV.

 

Wo allerorts Ahnungen in mir entbrennen

kann ich dich in all meinen Handlinien lesen;

Die Wünsche geraten mir zu Hierothesen.

Die jüngsten Gefühle und die majorennen

 

Gewißheiten war’n sich nie einig gewesen,

doch nichts kann mein Denken und Fühlen mehr trennen,

die Zeit reift, mich und mein Gefühl zu bekennen,

daß Wahrheit und Wahn aneinander genesen.

 

Es gilt nicht die Welt nochmal neu zu erfinden.

Die Lage zum x-ten Mal analysieren

bringt nichts, statt zu trennen muß ich nun verbinden

 

die Zeichen. mein Lieben kann sich potenzieren,

nehm ich es nur auf, was mir vorliegt zu finden.

Ein vermißtes Gefühl will sich neu etablieren.

 

 

 

Sonette