* 1972
Man hat´s nicht geglaubt, als die Glaskugeln sprangen,
und hat sich in
drehende Winde gewagt,
was so töricht und
nutzlos, gelinde gesagt,
noch zu keiner
Zeit wert war, im Kopf anzufangen.
Die Zeit, wo man
einfach ein Märchen vertagt,
war vorbei, hat
man eben höchtamtlich beschlossen,
und Macht auf
papierenen Spielplan genossen;
wer Weihwasser
schändet, wird schleunigst verklagt.
Es hieß, wie seit
Alters her überliefert,
es mache ein Becher
des Wassers gesund,
doch an Wunder
erinnern sich Bücher nur kaum.
Ein vergessener
Held machte, als man ihn rief kehrt,
Gebrochene
Gipsgötter lagen am Grund
und sie lösten
sich langsam zu Schlacke und Schaum
* 1972
O Amor, Du
schwingst die bezauberndsten Reden
und blendest mich
mit Deinem fehllosen Tuche.
Du kennst alle
Tricks und führst wie im Buche,
mich Ärmste, ach,
wiedermal an Deine Fäden.
Ich will Dich ja
gar nicht, doch alle Versuche
sind zwecklos, Du
zwingst letztlich alle und jeden
und kümmerst Dich
nicht um entstandene Schäden.
O Amor, wie ich
Deine Spielchen verfluche!
Ich weiß, daß Du
all’ meine Torheiten kennst,
und nur das ist
es, daß ich Dir wieder verfalle.
Hast Du denn nie, wenn
Du Dein Opfer verbrennst
einmal Nachsicht?
Ich wünsche, daß sich all’ das balle,
was Du ausgeteilt,
und Du dich mal verrennst,
und Dein
Zuckerwein schmeckt Dir wie bittere Galle!
Amor an Psyche
Du fliehst mich,
doch weißt: Wir gehören zusammen.
Ich nahe von fern,
und Du suchst schon zu meutern,
doch hab’ keine
Angst vor vernebelnden Kräutern
und nicht vor der
Glut der verzehrenden Flammen.
Du zählst mich
noch heut zu den Seelenfreibeutern
und weist auf die
Wunden und brennenden Schrammen,
doch hab’ keine
Angst wieder neu zu entflammen.
Ich werde Dich nur
bis auf’s edelste läutern.
Mein Brandpfeil
erscheint Dir noch nicht ganz geheuer;
Du fliehst mich,
und wehrst mir mit Spott und mit Härme.
Vertraue mir und
meinem reinigend’ Feuer.
Nur anfangs ist’s
siedend, dann heilende Therme,
das Herzblut; es
wird Dir noch wertvoll und teuer!
Dein goldener Kern
fängt nicht Feuer, nur Wärme!
* 1972
Das Spiel ist vorbei, alle Träume
zuende.
Wir sehn daß man nicht mehr des anderen
Maß ist,
daß Blütenheu wieder nur trockenes Gras
ist.
Wir wollten den Wechsel und zahlen
horrende
von Herzen die hochüberzogenen Zinsen.
Wir ließen uns fallen und halten uns
frei
und liebten uns nur aneinander vorbei.
Wir gingen der Weisheit voraus in die
Binsen.
Das Reden geriet uns nur schwerer und
schlechter.
Zuletzt auf die innere Seite gerollte
Gesichter, Gebärden, geübtes Gelächter
der Welt gegenüber, die Schmähungen
zollte.
Das Innere fühlten wir um vieles echter.
Es kam wie es war und es ging wie es
wollte.
Der lauwarme Herbsttag zuletzt mit uns
grollte;
ein schlechter Verlierer im ewigen
Spiel.
Ein Gott, der, der eigenen Schöpfung
verfiel,
der Unsterblichkeit fand, doch was
anderes wollte.
Ein siechender Mond zeigt sich blaß im
Profil,
doch sein Sterben ist Schauspiel und
niemals von Dauer.
Wir lagen uns abwesend weit auf der
Lauer
und trauten am wenigsten was uns gefiel.
Da stutzten zwei Puppen dem Spieler den
Schnabel.
Wir sind für die alten Geschichten
ertaubt,
erfanden uns doch eine eigene Fabel,
aus Traumsouvenirs schnell
zusammengeklaubt
und wir wünschten und bauten ein
weiteres Babel.
Wir hätten so gern aneinander geglaubt
* 1972
Ich geb`es zu:
Auch mir schwillt mal der Kamm,
verkürzt man
Deutschland nur auf seine Schuld.
doch mehr als Wut
und Zorn ziemt uns Geduld.
Wie man Heut
vorgeführt wird mit Tam-Tam,
Mit Seifenoper
langsam eingelullt,
ein Button „Love“,
wird dir die Seele klamm:
das wächst nicht
aus dem alten Eichenstamm;
Unsre Kultur
verkommt nur mehr zum Kult.
Wir sollten um die
eigne Herkunft wissen,
was unsre Ahnen
für das Land einst schufen.
Wir können stolz
die eigne Fahne hissen,
doch können wir uns
nicht auf den berufen,
der alle Wurzeln
einstmals ausgerissen,
und uns hinabstieß
auf die Büßerstufen.
* 1972
Der Fünfheber
Jambus ist dir erste Sahne,
doch fürcht ich,
dir mangelt’s am rechten Behufe.
Das Dichterwerk
wird nicht zum echten Berufe,
schreibst du dir
ein einzelnes Maß auf die Fahne.
Du stehst mit nur
einem Maß auf schmalem Kufe.
Dies sei dir ein
Beispiel, daß dir einmal schwane,
was möglich ist,
dir neue Freiheiten bahne:
Der Daktylus ist doch
die Doppelrahmstufe!
Du trägst deinen
Jambus (und willst mir noch spotten),
doch wie einen
alten, verschlissenen Frack
und
flickschusterst nur an den alten Klamotten.
Vielleicht kommst
auch du einmal auf den Geschmack
und lernst einen anderen
Vers, einen flotten;
Ein anderer Takt
bringt dich wieder auf Zack.
* 1972
Wie tieftraurig blaß er dort steht:
Der Mond, ein gerissenes Segel.
Kein Wunder mehr neben der Regel,
daß alles was blüht auch vergeht.
Wir hatten uns niemals gefunden,
doch müssen uns täglich verlieren.
Wir lassen uns schweigend erfrieren
denn jedes Wort kann nur verwunden.
Wir kennen für alles die Gründe
warum uns ein wahres Wort schände.
Uns schreckt die Idee, was entstünde
und nichts deutet auf eine Wende.
Es werden nur Schulden und Sünde
und täglich ein weiteres Ende.
* 1972
Wer kennt schon den Preis für die
lauterste Kunst,
übers Leben zu schreiben, statt selber
zu leben?
Was kann denn die Abschrift vom Urgefühl
geben?
Wenn wir es nicht kosten, was kostet es
uns!
Ich wünsch mir ein echtes Gefühl ohne
Boden.
Ich wünschte wir könnten im Sonnenwind
segeln,
die Schwerkräfte aus ihrem Mittelpunkt
kegeln,
verjüngt wieder aufersteh´n aus allen Toden.
Wie frei ist man, hat man auf Freiheit
geschworen.
Prinzipien geraten sich selbst zur
Groteske.
Die Tränen schon längst aus den Augen
verloren,
gerät mir mein eigenes Antlitz zur
Freske.
Statt Leben nur schillernde Steine
geboren:
Eintausend und eine Scheherazadeske.
* 1972
Als schwarzes Loch
erscheint dir meine Liebe,
die dich
verschlingt durch übergroße Masse.
Ich glaub’ du
unterschätzt die eigne Klasse,
wenn du denkst,
daß von dir nichts mehr bliebe.
Woraus soll ich
mein Leben anders speisen,
als aus der
Energie, die du mir gibst.
Und sieh, was du
für Spiele mit mir triebst;
Bin ich auf neuer
Bahn, um dich zu kreisen.
Behauptest du, daß
du dich nur verlörst;
sag, wer läßt dich
so kraftlos scheinen?
Es ist nicht
nötig, daß du mich beschwörst,
bist du mit mir
und dir und uns im Reinen.
Was du von
Sternenuntergängen hörst,
kann auch ein
Anfang sein, des großen Einen.
* 1972
Sie wohnte lang im Tränental
und hat sich wohnlich
eingerichtet.
Alles war, wie mir
berichtet,
nebelschwanger,
grau und schal.
Er lebte in der
Kältekammer,
Augen klar und
eisgeboren,
nie erwärmt, noch
todgefroren;
„halbgelebt“
klingt sein Gejammer.
Beim Andern lockt
Verschiedenheit;
Wie Kälte doch so
anders glänzt,
als Tränen, denkt
sie mit der Zeit
und nährt das
Wort, daß sich ergänzt,
was anders ist.
Sie frier’n zu zweit,
erfrieren beide
eisumkränzt.
* 1972
I
Wonach die
Kritiker nur gieren?
Man sieht die
Dichtkunst schon entkernt;
Wer hat sein
Handwerk nicht gelernt?
Der Sonettist hat
halt Manieren.
Auf die Gefahr,
das ich vergrätze,
wer mich eh’ stumm
lieber hätt’
sag ich hier
deutlich: das Sonett
ist mehr als seine
blanken Sätze:
Schreit nur
lauter, wie, warum,
und was ihr
glaubt, was ihr so seht.
Euch bleiben alle
Dinge stumm,
weil ihr sie
einfach nicht versteht.
Wir basteln nicht
am Wort herum;
Man spürt doch, wo
es richtig steht.
Was gibt es
schönres als Sonette?
Wer sagt, Sonette
engten ein,
dem ist der
Wortschatz nur zu klein,
der scheut mit
Grund des Verses Glätte.
Sonette sind, ums
klar zu sagen,
nichts acht- und
formlos abgedrucktes,
nichts unvergoren
hingespucktes,
weil sie quer im
Magen lagen.
Wer heute an den
Formen sägt,
hat bald auch
allen Sinn verschwendet.
Der Topf ist’s,
der das Wasser prägt
Das Maß, wenn es
geschickt verwendet,
jeden Inhalt
überträgt.
Sonette sind halt
formvollendet.
* 1972
Wir mehren die Träume,
verringern den Raum;
empfindsam
berührst du mich warm an der Nase,
doch unerkannt
blieb ein Teil in kalter Stase.
Ein Bann hält das
Herz fest in Zügel und Zaum.
Schillernd und
leer, so als ob ich in Schaum blase,
erleb´ ich die
Zweisamkeit, deine Emphase,
als ob ich
halbblind durch den Weltenraum rase.
Ich wünsche nichts
mehr als ein Ende der Traumphase,
die schwarz ist
und leer, wie des Mandalas Mitte.
Die Versuchung ist
da, dieses Du auszumerzen.
Reden wir nur so,
als ging’ es um Dritte:
Sich selbst wie
`nen Fremden zu erzen
befremdet, doch
frag nicht warum, frag nicht, bitte,
frag mich nicht
was, doch da ist was im Herzen.
* 1972
Als jeder Halt
verfiel, in jenen Tagen –
Daß du des Bösen Endsieg
stets verneinst!
und demütig aus
deinen Worten scheinst
und warm – Da, als
die Welt beginnt zu fragen,
ob je ein Heil
geschehen kann, dereinst,
neigst du dich
jenem, der ans Kreuz geschlagen.
Du trugst dein
Joch und hättest mehr ertragen.
Ein Beispiel, wie
du Stolz und Demut einst,
noch hoffst in
bodenlosem Untergehen.
Auf Knieen kommst
du näher deinem Ziel,
als der, der
stürmisch in die Irre prescht.
Ein jeder Vers ein
kleines Auferstehen,
ein Wort, das
fruchtbar in die Seele fiel
und dunkles Leid
in reine Sühne wäscht.