ZaunköniG                                  Dialektik

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* 1972                                                              Auf der Suche nach einer Moral meines Stücks

komm’ ich fast aus der Rolle; und wie ich es seh

heißt Bekommen Verlieren, und Glück immer Weh;

ist mein Sterben mein Fühlen: ein Leben de Luxe.

 

Meine Wahrheit ist wandelbar. Komm, mein Wind, weh!

Ist nun pechschwarz die Nacht, oder schwarz wie Onyx?

Braucht es Sünde und Schmerz zur Vollendung des Glücks?

Für den Sommer nur Zeit, oder FCKW?

 

Was hilft es, sind erst die Gefühle verkopft?

Sind sie einmal entbunden, spiel’n meine Neuronen

mit meinen Transmittern nur Carambolage.

 

Durch Metrik und Syntax dem Satzbau enttropft

heiß und bitter die Seele, die ich nicht zu schonen

vermag. Jeder Schutzversuch bleibt nur Staffage.

 

 

 

Sonette

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Manchen Dichter-Kollegen

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* 1972                                                              Ihr sagt mir frei heraus, was nicht gefällt:

„Man sollte nicht so schnell von Sterben schreiben“

und „in der Dichtung niemals übertreiben.“

Ich hätt mein Leiden viel zu hoch gestellt,

 

weil ein zu starkes Wort die Leser prellt.

Mit Sorgfalt soll ich meine Schrift betreiben,

und soll „präzise“ sein, „wahrhaftig bleiben“.

Doch wenn das, was dir Wert war, von dir fällt?

 

Wenn man den eignen Herzschlag nicht mehr spürt,

Die Atmung nicht mehr bis zur Lunge reicht

und sich in nichts verliert? nun sagt, was dann?

 

Wenn dir die Seele aus dem Leib entführt,

wenn dir die Wärme aus den Gliedern weicht?

Sag: Fühlt sich Sterben wirklich anders an?

 

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Der verkannte Poet

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* 1972                                                              Versteinert steht er vor dem Buchregal;

„Soll das ein Buch sein? Nur aus Schall und Rauch?

Von Dichtung kennt der nicht den leisen Hauch!“

Die Galle schäumt ihm über, „schlecht und schal“

 

und faustdick ballt sich Wut in seinem Bauch.

Besudelt scheint die Kunst, der reine Gral.

Was not tut ist Kritik: Ein Tribunal!

„Was der für’n Mist verbockt, das kann ich auch!“

 

Das stimmt soweit, nur leider auch nicht besser;

Er giftet gleich drauf los als Humorist,

zerreißt den Feind als Spätavantgardist.

 

In seiner Stimme bricht sich scharf das Messer.

Satire nennt er, was Verwünschung ist,

doch bleibt im Recht: Er schreibt genau so’n Mist.