ZaunköniG                         

* 1972

 

Ortseingang parkseitig

 

Radfahrer streifen die südliche Mark

und allerlei Hunde, den Rädern zur Seite,

Die Bäume, gruppiert, suggerieren noch Weite,

Vier Pappeln im Hintergrund, wolkig wie stark.

 

Die Aue fließt flach unserm Weg zum Geleite

und eh man es weiß führt er schon in den Park;

ein Teich den man halb hinter Waldwuchs verbarg;

Ein Schwan zeigt dort stolz (oder drohend) die Spreite.

 

Mag sein, daß er hier in der Nähe noch brüte.

Ein Schulschwänzer schnippt einen Stein in die Wellen

und zieht sich den weitenden Kreis zu Gemüte,

 

daneben der Rest gutgelaunter Gesellen:

Im Wind spielt vom Vorabend noch eine Tüte;

und Flaschen, die (seltsam) im Rasen zerschellen.

 

 

 

Der außerrömische Brunnen

 

Am Schloß vorbei tritt man vom Park auf den Platz

in die Mitte der Stadt vor die Brunnenfigur.

Ach Thies, deine Wanne hat keine Statur,

Jede Marketing-Masche ist doch für die Katz,

 

bleibt der Sinn für das Gute und Schöne geteilt nur.

Ich denk an den Römischen Brunnen: Ein Schatz

deutscher Dichtkunst von Rilke. Mir stockt jeder Satz,

Kein Geist schimmert durch die Basalt-Politur.

 

Mein Schreibversuch: Lange gelingt nur verkapptes

Geplapper; ich dachte mit alten Gedichten

und Ruhe als Handwerkszeug klappt es.

 

Zu jung und zu glatt ist der Stein für Geschichten;

das Wasser fließt lustlos, da pladdert und schwappt es

und will alle Kunst-Illusionen vernichten.

 

  

  

Wickenthies

 

Du sahst schon wozu Religionsfragen taugen,

für was Gottes heiliger Name benutzt wird,

von hungrigem Hassen das reinste beschmutzt wird.

Als „Seher“ brauchst du doch nur offene Augen.

 

Auf die einstigen Schlachtfelder scheißen die Tauben

und wir dünken uns um so einiges besser:

Man teile die Menschheit mit schärferem Messer;

Die wissen von nichts, also müssen sie glauben

 

Und siehe: Ein jedes Schwein hat seinen Koben

Ach Thies, man verpaßt dir ein blechernes Grinsen,

nach vierhundert Jahr’n auf den Brunnen gehoben.

 

Die Weisheit liegt heute wie damals in Binsen,

man schmachtet, und strebt und vertraut nur auf oben

und achtet nicht Preis, oder Tilgung, noch Zinsen.

 

 

 

Wohnungsbau

 

Dein Verlust im letzten Krieg, von allen

Städten wurde dir nur zugemessen,

gerade soviel, daß es nicht vergessen,

und verewigt an der Bürgerhallen;

 

Es kommt noch vor der Lebenskunst das Fressen,

doch da manch Bauherr sich hat selbst gefallen

ist manches Schmuckstück nachgefallen.

Man hat, ich weiß, nicht allzuviel besessen,

 

doch mancher war es wohl, der dacht’ er meistert

alles dagewesene und saume

(nicht nur, daß man die Wunden schnell verkleistert)

 

die Stadt mit glänzend-glattem Wohnungsraume.

Mir scheint, wenn ich mich umseh’, heut noch geistert

nur Profit im Architektentraume.

 

 

 

Adam, wo bist du?

(zu einer Skulptur von Hilko Schomerus)

 

O Adam, im offenen Mund steckt die Klage,

gerichtet ins Nirgends, nach außen wie innen.

Kein Ziel; nur Vergangenheit liegt in den Sinnen.

Du stellst dich und beugst dich der uralten Frage

 

nach Sühne der Schulden – und wie man sie trage.

Sie leugnen, das hieße sich selbst zu entrinnen,

doch wie kann man nach einer Schuld noch beginnen?

Und fügst dich in deine vermeintliche Lage.

 

Die Sünde ward dir zur alleinigen Achsen;

ein Wort, das dich täglich und nächtlich bestürmt,

deine Seele zur Tilgung der Schuld zu beleihen.

 

Bist in deine Last allzu fest eingewachsen,

auf die sich zur Schuld deine Ohnmacht getürmt.

O Adam – nun nimm endlich an mein Verzeihen!

 

 

 

Der große Preis  (2003)

 

Drei schräge Spargelstangen als Symbole

der Kommune, die gehandicapt

sich mühsam durch den Förderdschungel schleppt,

erbringen endlich die erhoffte Kohle.

 

Der Preis spricht für das Marketingkonzept;

Der Stadtrat einigt sich auf die Parole:

„Willkommen in der Spargelmetropole!“

So’n Fernsehkoch braucht’s noch und sein Rezept.

 

Die Pläne taugen für Karikaturen.

Die Prominenz der Stadt übt ihren Text.

Du ahnst, bei dem Getuschel auf den Fluren,

 

und wenn du von den Creationen schmeckst:

Die Dinge folgen weiter ihr’n Naturen.

Du weißt, daß Spargel nicht zum Himmel wächst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonette