ZaunköniG                                  aus „Morgain“

* 1972                       

© beim Autor                                            

 

Die Dame vom See

 

Sein Blick ruht auf dem Schauspiel der Natur;

Ein visionärer Traum verleiht ihm Kraft.

Noch einmal alle Sinne aufgerafft

Tritt er in ihre zarte Feenspur

 

Auf Halm- und Blattwerk glitzert dieser Saft

(Noch näher, komm !) es glänzt Verlockung pur,

Tänzelnd, tändelnd ihn an loser Schnur

An sich zu binden, wo der Nebel klafft

 

Sentanta weiht sich höheren Gewalten

Liebend ausgeliefert, dabei noch

In traumwandlerischer Sicherheit;

 

Ein Hochgefühl erlebt, jenseits der Zeit.

Bald scheuert ihn jedoch sein Erdenjoch:

Ein Sterblicher kann Ewiges nicht halten.

 

 

 

Er ist der Wanderung für heute leidig

Die Schwüle drückt. Die Nebelschwaden kalben

Nester bildend für die Brut von Alben,

Trollen, Feen. Seeseits glänzen seidig

 

Lockenwogen doppellagig. Schwalben

kämmen ihrer Herrin Haar. geschmeidig

fällt es über’s Ufer und getreidig

duftets durch den Dunst. Gelinde Salben

 

tauen auf die müde Füße. sachte

sinkt Sentanta in gerechten Schlaf.

Und Morgain, die in seinen Träumen wachte

 

durchsang mit Engelszungen seinen Aether.

Es schmerzt’ der Stich, als ihn die Sonne traf;

Die Wunde brannte, aber davon später.

 

 

 

Kein Sterblicher empfängt von mir den Kuß

Ohne seinen Preis dafür zu zahlen.

Mich mag dein inn’res Auge leiblich malen;

Mein Element und Zeichen ist der Fluß.

 

Ein Sein und Werden, stets aus einem Guß.

Noch spiegeln sich in mir die Sonnenstrahlen

Und auch mit deinem Bild läßt du mich prahlen

Noch fließ ich seicht, doch bald schon fall ich schuß

 

Die Schluchten abwärts, felszerschneidend, tosend.

Gering dünkt dich der Preis vor Fälligkeit:

Ein Fließen, Fluten, Wogen, um sich kosend.

 

Höher ist er aber als man glaubt.

Es wird dein leichtes Glück im Lauf der Zeit

Noch eh du dich versiehst im Sturz zerstaubt“

 

 

 

Lächelnd, wie sie ihm davon erzählt
Ist ihm so leicht. Die Worte fließen ihr
Eins um das andre. Dies ist ihr Revier.
Bedenklich, welche Worte sie gewählt;

Es ist jedoch nur Klang im Jetzt und Hier
Ist ihm Musik, kein Sinn, der ihn jetzt quält.
So hat er sich bereits mit ihr vermählt,
Tief eingefühlt in dieses Fabeltier

Lilien öffnen ihre zarten Kelche.
Einen Fuß im Fluß, den Kopf erhoben,
Ist ihm selber elfenleicht zumut.

Die Vögel singen ihre Lieder. - Welche?
Es sind die schönsten wieder aufgeflogen.
"Nichts frage mehr ; Es rauscht Dir nur das Blut."

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Verlassene

 

Der Verlassene gleicht einem Halben;

Für all die gute Zeit erklingt kein Danke;

Viel zu schmerzhaft brennt die off'ne Flanke,

die er dennoch offen hält. Dem silbrig falben

 

Mondstrahl gleich, blaß, schimmert bald

der Wundrand: unempfindlich. - Und der Kranke

fühlt schon Linderung, doch der Gedanke

trügt. Er weiß es selbst. Nur mit Gewalt

 

verscheucht er noch die stieren bösen Geister,

die längst seine Fährte aufgenommen.

Er ist noch des Verstandes Herr und Meister,

 

doch die Sinne sind ihm schon verschwommen.

Kein Feuer hält das Untier mehr in Schach,

und niemand bleibt in seinem Schlummer wach.

 

 

...

 

 

Die Dame vom See

 

„Sentanta!“ säuselts, „komm zu mir mein Held.“

So friedlich liegt der Fluß in seiner Senke,

und Morgain wäscht sich ihre Fußgelenke.

„Heut bin ich dein, so nimm was dir gefällt.

 

ich zeige dir den Weg zur Anderwelt.

Es warten Lob und vielerlei Geschenke

auf dich. Wir geben alles, doch bedenke,

daß vor dies Tor auch bald der riegel fällt.“

 

   „Ihr lügt, so wie ihr andere belogt“

Behutsam löst sie ihre Haare aus,

- wie weich sie fallen, wie es fließt und wogt...

 

Ich lehre dich die Zauberei der Elfen,

Sentanta, schlag mir diesen Dienst nicht aus,

denn eines Tages sollst auch du mir helfen!“ 

 

 

 

„Oh, ein Zaubersprüchlein, welche Labe!

Und süße Liebesträumereien, zu Hauf,

mit leichten Spiegeleien am Wasserlauf...

Wer bist Du morgen: Wölfin oder Rabe?

 

Was gibst Du mir, was ich nicht besser habe?

Zu guter letzt kommst Du noch selber drauf,

Morgain, nicht nach Geschenken, sondern Kauf

steht Dir der Sinn. Welch eine edle Gabe

 

 ist es wert mich für Dich zu verpflichten?

Ich habe schon zu viel von Dir gehört,

Versuch ein andres Opfer zu betören.

 

Ich müßte mich doch selber schrecklich richten,

wenn so ein Trug sich gegen mich verschwört,

doch meinen weitren Weg wirst Du nicht stören.

 

 

...

 

 

 

Die Wäscherin an der Furth

 

Die Szene an der Furth durchweht kein Laut;

Kein Ton, der einen Lebenshauch verrät,

sodaß der eigne Atem reglos steht.

Im flachen Wasser kniet die Tränenbraut.

 

Es half kein Zauberspruch, kein Gold, kein Kraut

und nicht, daß seine Wunden gut vernäht.

Sie wäscht den Leichnam ab. Sie wäscht und fleht

das Wasser an, das matt, wie aufgestaut

 

ihr Elend widerspiegelt: Ihre Fron

um einen, den sie doch verlassen muß.

Sie wäscht, und ihre Waschung, monoton,

 

ist längst von jedem Erdenzweck befreit.

Sie stiehlt sich waschend etwas Zweisamkeit,

doch was sie sucht, sein Leben, bleibt im Fluß.

 

 

...

 

 

Die Alte

 

Ists recht vor diesem dürren Hain zu rasten?

Bis zu dem Bruchholz, der Alplinde, halte

dort und frage die halbblinde Alte,

statt blindlings über jeden Rain zu hasten,

 

nach einer Stärkung. Grau in grobes Zwilch

gehüllt, zieht sie am Strick die rote Kuh,

wirft ihm ein gellendes Gelächter zu

und gibt dem müden Helden etwas Milch.

 

Oh, ihre Bosheit ist so ausgefeilt!

Zwar git die Milch sofort die alte Kraft

und sieht er zu wie jede Wunde heilt,

 

doch was hat sie aus seiner Hand bewirkt!

Er sieht wie sich die haut der Alten strafft,

und daß sich Morgain hinter ihr verbirgt.

 

 

...

 

 

Metamorphose

 

Was Werden oder was Entfaltung heißt,

Dem Anschaun nicht bekannt, doch unverzichtbar,

Und allem Leben scheint es unvernichtbar,

Denn in der Tat verkörpert sich der Geist,

 

Wird Blick, der hinter die Gestalten weist,

Verschreckt. Es wurden andre Formen sichtbar,

Als Du, an dieser Stelle wirst Du richtbar,

Mit allen Wettern scheintest oder schneist.

 

Die Sinne sind, noch gestern überreif,

An einem Tage alt geworgen, mürbe,

Durchsickert das Bewußtsein Schicht um Schicht

 

Ein Ahnen wie ein ferner Nebelstreif

Und reflektiert, daß alles lebt auch stürbe,

Als schon das innerste Gesicht zerbricht.

 

 

 

Bekanntes, das ins Ungesehne sackt;

So wird die Haut von innen ausgeschält,

So wird man einer Leere anvermählt,

Die schmerzt. Die spröde Hülle knirscht und knackt.

 

Mit allzu totem wird die Form gestählt,

Enthäutet sich die Totenmaske, nackt

Von außen wie von innen, kalt gepackt,

zu leicht befunden, und doch ungezählt.

 

In ihrer Höhlung zerrt das Vakuum,

Das Schicht um Schicht bis zum Zerbersten reizt.

Sie brechen, bröckeln und verblättern stumm.

 

Die Feuer sind verschwelt, gestaucht und krum

Verflackert schwaches Licht, um das herum

Ein schwarzes Irgend seine Fleder spreizt.

 

 

 

In den Bannkreis eigner Nacht gezogen,

Als dichter Schatten eines dunklen Nichts,

Verwischt der Zug des eigenen Gesichts;

Die schwarze Mondin zieht und spannt den Bogen.

 

All das Gewesene scheint Schein, getrogen,

Und die Gestalt, bar jeglichen Gewichts

Verödet, aber aus der Öde sprichts:

„Der Pfeil wog nichts – solange er geflogen.“

 

Im Schutz der Dunkelheit entsteht ein Neues,

Ein unberechenbares, blindes, scheues.

Was einst Gesicht und später Maske war

 

Ist längst ein Fremdes, was bedrückt, beengt.

Gewaltsam wird die Schale weggesprengt,

Daß daß sich ein andres Sein entfaltet. - „Kra!“

 

 

 ...

 

Ende

 

Die Krähe folgt mit rauhem Schrei dem Fluß,

ein Amboß schwillt und Donnar schwingt den Hammer.

Der Himmel schwärzt sich. Hagel folgt Gejammer

und ein jähstürzender Gewitterguß.

 

Daß diese Krähe Unglück bringen muß,

wird man erzählen in der stillen Kammer,

doch, selber auf der Flucht nach vorne, schwamm er

mehr als er noch ritt zum bösen Schluß.

 

Sie flog, Sentantas Unglück einzuholen,

noch einmal Aufschub für ihn zu erbitten.

Der hätte, wüßt’ er’s, sich davongestohlen.

Er ist der Krähe nicht sehr wohl gelitten.

 

Der eine wird des andern Unglück sein.

Was sie einholen wollte, holt sie ein.