Nebelfee

                                                         Tenzone: Friedrich vs. ZaunköniG

© bei den Autoren

 

 

I.

 

Stille leg ich über braches Land,
Flute sanft der Riede Lebensleere,
Starres hüll ich, nehm’ ihm irdne Schwere,
Kränz kokett mit milchig weißem Band.

Komm, Geliebter fasse meine Hand,
Lass dich führen, dir bin ich Hetäre
Auf dem Weg zu einer andren Sphäre,
Jene Welt hier hat nur kurz Bestand.

Wallend schaff ich deinen Sinnen Nähe,
Trage offen bloß für dich das Haar,
Sink in diesen Schleier und verstehe:

Tief in unsrem Innern sind wir klar,
Zögre nicht, Natur wie ich sie sehe,
Dort allein ist sie voll Licht und wahr.

 

 

II.

 

Gestaltlos, trügerisch ist deine Nähe,
wenn auch verführerisch dein loses Haar.
Was mir beim ersten Anblick noch nicht klar,
und was ich heute um so mehr verstehe:

Das Licht ist selber völlig rein und wahr!
Jedoch, was ich durch deinen Schleier sehe,
ist leider Zerr- und Wunschbild. Nein, ich gehe
nicht aus freien Stücken in Gefahr.

Dein Tod ist hart, von weichem Dunst geschminkt
und fremdem Licht, mit dem du dich geputzt.
Du hast die Falle waidgerecht versteckt,

doch weiß ich, wer am andern Ufer winkt
und jeden Trick für eigne Zwecke nutzt.
Ich kenn' die Hand, die sich dort knöchern reckt.

 

 

 

III.

 

Sinnverwischt, frivol und listgeschminkt
wähnst du mein Gesicht, das scheinumflossen
dich, verzückt im Bann von Irrlichtpossen,
voller Hohn in dunkle Fluten winkt?

Weiche Kissen, in die jeder sinkt,
lösen dem die Fesseln, der entschlossen
anfängt, einwärts erste Leitersprossen
zu erklimmen. Dein Vergleich - er hinkt.

Du vermeinst an mir nur das zu schauen,
was dir angesichts des Fremden nutzt,
nämlich Furcht vor Neuem. Dein Vertrauen

vom Verstand genehm zurechtgestutzt,
baut auf Sinnerfahrung. Ganz durchschauen
wirst du mich, wenn Glaube Zweifeln trutzt.

 

 

 

IV.

 

Im Glauben soll ich deine Wahrheit schauen?
Da weiß ich doch schon vorher wem das nutzt.
Ist der Verstand erst hübsch zurecht gestutzt,
bleibt kaum mehr andres übrig als Vertrauen

oder Furcht. Doch dieser Frage trutzt,
wer hellen Geistes sucht dich zu durchschauen.
Man kann mit Glück auf blinden Glauben bauen,
doch auf's Ergebnis schaut man oft verdutzt.

Verwirrung nennst du mein Vielleicht und Aber,
doch mit Zweifeln hat es die Bewendnis,
daß sie lichten und verwehen dein Gewaber.

Erkenne dich im Licht und handel klar.
Und ist auch unbequem dir die Erkenntnis:
Das Ewigwahre ist nicht wandelbar.

 

 

 

V.

 

Scheu umflüstert dich die Tropfenflut,
Klang des Feinen, Reinen (nicht Gewaber),
Widerhall, der dein Vielleicht und Aber
fordert, bis das Tun im Glauben ruht.

Noch umspülen Schleier die Erkenntnis,
klingen fremd dir Weisen, allem bar,
was dir gestern sang vertraut und klar,
nie verklang die Weise, nie Verständnis.

Tief war er, dein Fall - Erwachen grob.
Wandeln wolltest du auf hellen Pfaden,
kühn, bis lauter Sang dich tiefer schob,

immer tiefer, bis in düstre Schwaden.
Doppelzüngig klang das Schlangenlob -
doch dich schwingen unteilbar Monaden.

 

VI.

 

Monaden! Einzigartige Monaden!

Unteilbar, Geist der in sich selber ruht.

Millionenfach durchrauschen sie das Blut,

Milliarden glitzern in den Nebenschwaden,

 

und Myriaden liegen auf den Pfaden.

Unüberschaubar scheint die Sinnesflut,

doch unveränderlich ist ihre Glut

und Kälte; abgeschlossene Monaden.

 

Sie wären a priori unverletzlich.

Es wärmte sie kein loher Sonnenstrahl.

Die matte Langeweile wär entsetzlich.

 

Tod und Liebe gleichermaßen schal

Kein Fühlen wirkt in sie hinein, und letztlich:

Es wären alle Wege gleich egal.

 

 

VII.

 

Taten sogen jeden Sonnenstrahl,
bis der Ort, der einst so nah, sich letztlich
scheinbar weit entfernte. Wie entsetzlich
war die Pein, das Hoffen schmeckte schal!

Deine Bilder kümmern totenfahl,
alles strahlte klar, so unverletzlich,
doch dein freier Wille, dir gesetzlich,
er entschied sich, Scheitern schien egal.

Wachstum war als Erbe zugedacht:
Als Gestirn, geführt zur vollen Reife,
solltest du erstrahlen, frei in Pracht,

als Geschöpftes, das nach Ausgleich greife,
das, geschmiegt ans ewig Eine, sacht
im Kaleidoskop das All durchstreife.

 

 

VIII.

 

Die Seelenbahn ist eine Endlosschleife:
Tausendstirnig strahlt sie jede Nacht,
Der Regenbogen glänzt in voller Pracht
bei Tag. Es leuchten Sternenschnuppenschweife

im Zerfall. - Das Scheitern folgt der Reife;
Tod iist allem Leben zugedacht,
doch unauslöschlich wacht und webt ganz sacht
die Energie, die die Substanz begreife:

Sie schafft und überwindet jedes Schisma.
Ein neuer Bogen glänzt in frischen Farben,
steigt mit dem Morgentau ein neues Prisma,

das den alten Weg aufs Neue findet.
Für die vergangnen Tode längst erblindet
bindetst du dein Sonnenlicht zu Garben.