ZaunköniG                                  Glaube

© beim Autor

* 1972                                                              Zur rechten Zeit kamst du, der Rauhreif taut:

Ein Wiedersehen wie ein Sonnenstrahl

nach schweren Träumen; nun das erste Mal

den warmen Morgengruß auf meiner Haut;

 

erst zaghaft, blinzelnd in das Licht geschaut,

bald hoher Tag, geweihte Nacht, final:

Der Wein und etwas Brot; das Abendmahl

macht uns nach langer Zeit erneut vertraut.

 

Ungläubig nahm ich einst die Trennung hin,

so schmerzhaft, wie sie war und so profan.

Was sucht und findet man nicht als Begründung.

 

Hab Dank für alles, was ich durch dich bin!

Dein erster Schritt: vertrauensvolles Nahn.

Erholsam, heilig war die Rückverbindung.

 

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Dialektik babylonisch

© beim Autor                                            

* 1972

Wenn ich mein Ja geb’ und Du gibst Dein Nein,

auf alle Fragen und zum x-ten Mal,

so trag’ ich ’s leicht; es wird das Selbe sein:

Zwei Seiten einer Münze: Kopf und Zahl.

 

Doch sagst Du möglich und ich sag vielleicht,

dann ist’s wie Stahl, der in die Wunde faßt,

sie spaltet, bis sie mir zum Herzen reicht:

Die Differenz, wo nichts dazwischen paßt.

 

Dort sind die Grenzen, doch sie liegen innen.

Gemeinsam können wir sie überbrücken.

Wir werden es, und werden uns gewinnen.

Wir brauchen uns, woll’n wir einander glücken.

 

O wehe, wagst Du doch, dich zu entfernen;

Nein, schon’ mich nicht: Du sollst mich kennen lernen.

 

 

 

Das große Ganze ist ´ne runde Sache;

Wir stehn, den eignen Standpunkt gut bewehrt,

am andern Pol, doch welcher ist verkehrt?

Die Dinge widerstreben unsrer Sprache.

 

Mein Ja, so wie dein Nein, und umgekehrt,

das was du meinst, und was ich daraus mache,

das was wir träumen und einander wachen,

was uns erleichtern sollte, doch beschwert,

 

ist eine Sprache, die nicht wirklich greift,

sind Bilder, die einander widerstreben,

weil jedes sein Bedeutungsziel nur streift.

 

Bis wir sie auf ´ne andre Ebne beben,

bis uns schlußendlich die Synthese reift,

die uns schon innewohnt, wie allem Leben.

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Neumond

© beim Autor

* 1972                                                              Am Boden, abgeschlagen, im Geäst

liegt leer und umgestürzt das Nest des Phönix.

Wenn auch das Holz noch fest ist; nein beschönigs

nicht. Tot und dürr ist nun das Laub. Es läßt

 

sich nicht mehr halten. Doch: - Ein neuer Phönix

wird auferstehn. Ja, jeder Zweig ist teuer,

Doch übergib den toten Ast dem Feuer.

Der Stamm jedoch ist würdig eines Königs:

 

Er ruht in sich voll Saft und Kraft, so massig.

In ihm steckt Leben, das stets neu beginnt.

Stoß ab das Totgeäst und den Phantomschmerz.

 

Im Kernholz steckt der Keim! vertraue! daß sich

die Seele auf die Wurzelkraft besinnt, -

und traumschwer treibt sie dir bald wieder mondwärts.

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Märblau

© beim Autor

* 1972                                                              Der Frühling schwenkt sein blaues Band, und ach;

Zwei Königskinder stehen, wie du siehst

an fremden Ufern und ein jedes liest

aus Wolkenbildern was das Schicksal mach:

 

Die Wolken und das Blau sind Berg und Bach,

der sich am Horizont ins Meer ergießt,

wo sich der Ring der Nebellungen schließt. -

Dem Tage müd entkommen lieg ich wach. -

 

Ich komm dir in der ferne nah (sublim),

wenn ich mit wahrem der Legende spiele.

Ich tauche ein in die Erinnerungen,

 

auf daß ich deine Perle fände, Priele

verlaufen, weiten sich, und maritim

zergehn mir Muscheln salzig auf der Zunge.

 

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  MutLos

© beim Autor

* 1972                                                              Die Kraft des Herzens pulst durch unser Blut.

In jede tiefste Körperzelle dringt sie,

und alles tote oder taube zwingt sie

zurück ins Leben. Du bleibst auf der Hut. –

 

Du darfst nicht Asche sein: sei du die Glut.

Es tut nicht gut, wierum du’s auch versuchst,

was du als Soll, und was als Haben buchst.

Vergiß die Angst. Vergiß auch deinen Mut.

 

Du mußt von deinem Mut nichts wissen: Sei’s!

Sei dir gewiß; Es liegt so auf der Hand,

daß man nur was man hat auch geben kann.

 

Schon Binsenweisheit führt dir den Beweis,

daß du die eigne Stärke ganz verkannt;

Du Mutigste, Du mutest mich so an!

 

 

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Morgenstahl

© beim Autor

* 1972                                                              Zur Anderswelt ein schmaler Grat, geschliffen;

Und dennoch wagte ich den Messertanz.

Die Schleide blitzte auf im Sonnenglanz,

Den ganzen lichten Kosmos inbegriffen,

 

Doch hatt’ ich kaum mein Licht geseh’n, verschwand’s,

und Nacht umwölbt es wie ein schweres Tuch.

Erneut Versuchung und erneut Versuch;

Ich werd es neu entzünden; Ja ich kann’s!

 

Mein Herz glitt blindlings übern Horizont,

Mein Schicksal täte mir nichts mehr zuleide.

Was ich noch eben traumwandelnd gekonnt,

 

Ein Glück zu seh’n, für dich, für mich, uns beide...

 Mein Wachtraum wurde mir zu jäh besonnt.

Mit einem scharfen Schnitt entglitt die Schneide.

 

 

 

 

ZaunköniG                                  Warum?

© beim Autor

* 1972                                                              Die Schritte, die für uns geschaffen sind,

sind nur von uns auf unsre Art zu gehen.

Nicht Ziel, nicht Richtung gilt es zu verstehen;

So streicht um Hecken leicht der Sommerwind,

 

So windet sich der Pfad durchs Labyrinth,

schreibt Muster, die im Gehen erst entstehen.,

So wie sich Dünen türmen und verwehen,

doch Zeichen eines höhren Waltens sind.

 

So unabweisbar, ungebändigt treu,

verwunschen, anverleibt, bald wieder fremd,

von heitrer Welle mühlos angeschwemmt,

 

wie Wasser aus der hohlen Hand verloren

und ungewissem Tag neu eingeboren:

Wir sind nicht fremd, nur immer wieder neu.