* 1972 7.
Sonettenkranz
Versilbert mein Taglicht und
Preis!
Ihr werdet mich doch nicht
mehr ändern,
und durch mein Änderhaus
schlendern,
bringt euch weder Ruhe,
Beweis,
noch den Grund mich nun ganz
zu verneinen.
Mein Haus ist nur, euch zu
verwirren,
daß Augen und Ohren euch
schwirren.
Und tritt es aus mit
Hühnerbeinen,
dann seht ihr es ein: dieses
Haus
ist kein Platz für zu leichte
Gemüter;
es geht nicht mehr nur
gradeaus.
Und vergeßt ihr das Teil übers
Ganze,
dann sei euch ein Mahnmal und
Hüter,
im Fenster der Rest einer
Pflanze.
Im Fenster der Rest einer
Pflanze,
fristet den eigenen Schatten
in einer durchforschten und
glatten
Sicht auf das Große und Ganze.
Wer von euch deutet die
Spuren?
Ihr haltet so viel auf Museen,
Amoniten und auf Scarabeen,
bewundert die alten
Kulturen...
Aus Kreide und Lehm
auferstanden:
Die Ahnung von anderem Leben,
geboren aus Sternen und Schaum
aus der Tiefsee, hier neu
anzulanden.
Als Zeichen sei dir
mitgegeben:
Ein Topf mit verblichenem
Kreppsaum.
Ein Topf mit verblichenem
Kreppsaum
erinnert mich an das
Vergessen.
Lang vor der Moral kommt das
Fressen;
Die Leute bemerken den Nepp
kaum:
Verdächtige, große
Versprechen,
den Mensch in den Himmel
beordert,
Von vielen zu vieles
gefordert,
auch mit einer Zunft zu
brechen,
voll Sicherheit und voll
Verheißung,
mit Glück per Gesetz oder eben
richtungslos treibende
Leistung.
Sie träumen den weltweiten
Webtraum
mit glasigen Augen und Leben,
den Schatten des Mondes im
Schlepptau.
Den Schatten des Mondes im
Schlepptau,
bewahrt es als Nachtschwarzer
Falter,
das Geheimnis von Odradeks
Alter.
Die Zukunft nach altem Rezept
bau’n
ist leichter, ist schneller
und fälbe
das Licht aller Neonreklamen;
Woher alle Tugenden kamen;
Revolte ist immer die selbe:
Das Andere lockt auch die
einen.
Gelingt die Erfindung von
Glück für
nur einige, heißt’s oft für
keinen.
Ein schneller Erfolg treibt
aufs Ganze,
den Sturm auf die
Niemehrzurücktür.
Heut bitt ich zum vorletzten
Tanze.
Heut bitt ich zum vorletzten
Tanze,
Versuch der Verheißung von
Trost,
einer warben Gebärde, liebkost
von dem Blick in die Weite,
dem Glanze,
dem Frost in der Landschaft,
dem Reif,
der besticht, ganz aus Kälte
geboren,
nach erster Berührung
verloren,
bevor man sein Schicksal
begreift.
Ich lache nur über die dummen
Versuche ihr Leben zu
meistern,
die kargen, die feisten, die krummen,
doch bleiben auch mir nur
Modelle.
Ich greife nach anderen
Geistern;
ich zähle schon lang auf der
Stelle.
Ich zähle schon lang auf der
Stelle.
Wie soll ich die Sehnsucht
vertreiben?
Ich könnte mich schwindelig
schreiben
in einer vergessnen Kapelle,
ich könnte mich völlig
besessen
in Geist oder Gliedern
verrenken,
in Vollrausch uind Masse
ertränken;
Ich könnte wohl doch nie
vergessen.
Es kommt bald die Zeit für das
Schweigen.
Ich mach mir den Winter zu
eigen,
wie Frostbärte an dünnen
Zweigen
bar jeder Botschaft und
Schuld,
immer wieder das gleiche zu
zeigen.
Es blieb nur Gewohnheit vom
Kult.
Es blieb nur Gewohnheit vom
Kult:
Zuviel Feuer und nichts zu
verzehren,
keine Kraft, hohle Hand zu
entbehren.
Es macht wenig Sinn mit Geduld
nur zu hoffen, es reicht,
bleibt es friedlich,
und daß sich die Zeiten
verkehren.
Das Warten kann alles
verheeren,
genau wie die Eile und wie ich
den Faden auch führe und
fädel,
er schneidet mir nur in die
Kehle,
und fessel’ mit Geist meinen
Schädel,
pulst unter der Decke Tumult,
denn ich trag eine brennende
Seele.
Ich trage so schwer, wie ne
Schuld.
Ich trage so schwer wie ne
Schuld
meinen Schlaf durch die
wachsende Nacht,
und ich hatte doch immer
gedacht,
es kommt alles ins Lot mit
Geduld,
doch es wuchert bei
wechselndem Mondschein
mein Scherbenfeld nichtiger
Tage
und Menschen, die Ziel einer
Frage,
erstarren zu Salzen und
Fronstein
mit Abstand und Sorge im
Blick.
Mein Schattentag bleibt
blindes Loch
ohne Naht an ein Nach und
Zurück.
Ich bleibe zunächst Bagatelle.
Ich wünsch’ und geleite nachts
doch
nur ein Abziehbild über die
Schwelle.
Nur ein Abziehbild über die
Schwelle
zu tragen, ein weiteres Mal,
ist ein leeres Behelfsritual.
Der Schattenflug einer Libelle
enthält nichts mehr von ihren
Farben.
Ein Schatten verrät keine
Wunder.
Die Herzkammer steht voller
Plunder
aus Zeiten die zu langsam
starben:
Vertrocknete Blumen wie
schilfen,
die Tränenbraut mit der
Eskorte
aus bleichen Vampiren und
Elfen;
Ein Liebestraum aus der
Retorte,
Versuche, die auch nichts mehr
helfen.
Es blieben nur Laster und
Worte.
Es blieben nur Laster und
Worte,
Versuche die Zeilen zu
glätten,
mit Wohlklang und Reimen, als
hätten
sie Sinn, so als gäb’ es ne
Sorte,
die heilt, durch Besprechen
und Glaube,
oder durch Ohrenauflegen,
als könnten sie etwas bewegen,
doch dreh’n sie sich nur noch
als Schraube
noch weiter in meine Gedanken.
Ich schreibe mit Dauer und
Fleiß,
finde doch immer nur meine
Schranken
geschlossen vor fehlendem
Gleis,
schreibe weiter, noch ohne zu
wanken;
Ich drehe mich ständig im
Kreis.
Ich drehe mich ständig im
Kreis
meiner eignen Gedanken und
find es
nicht schlimm, schließlich,
des Labyrinthes
Plan heißt mir nicht weiter,
ich weiß
nur zu gut, wie es einmal
geboren.
So gilt es als nicht
einzunehmen,
versteckt hinter Schatten und
Schemen,
versiegelt mit
Wechseldichtoren,
seit soundsovielen Kalendern
die Wege in endlosen
Schleifen,
doch wie sich die Wege auch
ändern,
wie neu sich die Landschaft
beflorte
und neue Gebilde ihr reiften:
Ich kenn’ auswendig all jene
Orte.
Ich kenn auswendig all jene
Orte,
die ich mir erschaffe und
änder;
Ein Treppenwitz ohne Geländer.
Und wie ich die Wahrheiten
horte,
sie passen doch nicht
zueinander:
Mein Leben wird bunt, doch nicht
ganz;
Bunte Blätter verwirr’n sich
im Tanz:
Ein weitausgestrecktes Mäander
mit Landschaft und Mond,
wolkenleer.
Erfunden, daß ich nur
versäume,
sich Nebel ergießt
molkenschwer,
doch frier ich in eigenem
Schweiß
verlassen mich all meine
Träume,
die mir einmal Glück und
Geheiß.
Die mir einmal Glück und
Geheiß,
die Momente verschwinden für
immer.
Ein Fenster führt aus meinem
Zimmer,
Ich habe so großen Verschleiß,
schon an Chancen auf lichte
Momente,
so schal sind die Tage und
fade,
ich summ’ meine Regenballade,
ich habe die falschen Talente.
Ein Schatten hockt vor jedem
Erker,
verschluckt alle folgenden
Stunden.
Ich helf’ mir mit
Restlichtverstärker,
doch fehlt mir noch eine
Eskorte,
bewacht meine Wege und Wunden
ein schlafender Alb vor der Pforte.
Ein schlafender Alb vor der
Pforte,
hat mich schon lang vor mir
verstanden.
Die Welt kommt mir langsam
abhanden,
wenngleich mein Gedächtnis
rumorte.
Solange die Sehnsucht ein Ziel
hat,
die Feenbucht einen Bewohner,
ein Einhorn in jedem Dragoner,
findet sie nicht nur als Spiel
statt.
Es gibt kein verbotenes
Siegel,
Ich drehe die brennende
Spindel
und schaue dir hinter den
Spiegel
doch sehe nur Masken aus Eis
und mein trautes
Legendengesindel
versilbert mir Taglicht und
Preis.
Im Fenster der Rest einer
Pflanze:
Ein Topf mit verwaschenem
Kreppsaum.
Den Schatten des Mondes im
Schlepptau
heut, bitt ich zum vorletzten
Tanze.
Ich zähle schon lang auf der
Stelle,
es blieb nur Gewohnheit vom
Kult.
Ich trage, so schwer wie ne
Schuld,
nur ein Abziehbild über die
Schwelle.
Es blieben nur Laster und
Worte.
Ich drehe mich immer im Kreis,
kenne auswendig all jene Orte,
die mir einmal Glück und
Geheiß.
Ein schlafender Alb vor der
Pforte
versilbert mein Taglicht und
Preis.
Sonette