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1972 8.
Sonettenkranz
I.
Streulicht der Werbung verscheucht uns die Sterne.
Wir dachten uns gerne zurück aus der Stadt
auf ein Land das noch Leben und Ruhezeit hat,
genossen die Kirschen und weitspuckten Kerne.
Wir hätten so gern anneinander geglaubt,
daß ein Zauber auf Zuruf zu bändigen sei und
ein ganzes Jahr blüht aus geheiligtem Maigrund.
Doch drang sich alsbald die Erkenntnis ins Haupt,
daß die Sonne nur strahlte damit sie uns blende,
der Wind um die Wildrosenhecke her tollte,
nur bis er bald andre Gefährtinnen fände,
der lauwarme Herbsttag zuletzt mit uns grollte.
Das Spiel ist vorbei, alle Träume zuende.
Es kam wie es war und es ging wie es wollte.
II.
Es kam wie es war und es ging wie es wollte
und nimmt alle Pläne zurück mit ins Dunkel.
Im Morgengrau stirbt letztes Eulengemunkel
und nur mein Orakel auch weiterhin schmollte.
Wir süßten das Sein mit Gedichten und Datteln
und weihten den Wein uns dem andern zu geben.
Wir wünschten uns Liebe und waren im Leben
schon über die Zeit uns ein Flugpferd zu satteln,
doch kam mir die Angst vor der Zukunft, worin mir
Geschick und Gemeinsamkeit schlicht und gemein sind,
die Angst, daß ich irgendwann dich nicht erinner
und nur jetzt kein falsches Versprechen ans Bein
bind.
Die Liebe kennt keine Verlierer, Gewinner:
Ein freies Gefühl, wie Gefühle zu sein sind.
III.
Ein freies Gefühl, wie Gefühle zu sein sind
beschlich mich des nachts völlig unvorbereitet,
beglich meine Sehnsucht in bar und geleitet
am Morgen ein zeitlos erwachendes Kleinkind.
Wir hatten einander in allem vertraut
und wir fragten nicht weiter nach Anlaß und Gründen
uns mit unsrem leuchtenden Stern zu verbünden.
Wir hatten auf Götter und Geister gebaut.
Wir hörten die Büchse ein erstes Mal krachen.
verletzt und verlor´n warn wir, doch wir verzeih´n
blind.
Ganz klar, daß ich mit einem siegenden Lachen
noch dieses Mal einen verwunschenen Hain find.
Der Wunsch in besänftigter Welt zu erwachen
durchweht uns die Körper, vertraut wie der Heimwind.
IV.
Durchweht uns die Körper vertraut wie der Heimwind
die Vorstellung uns noch mal neu zu beginnen,
so können wir nicht der Gewißheit entrinnen,
daß unsere Träume so treu wie geheim sind.
Es wär nichts als Zufall, wenn sie sich heut träfen.
Ich scheu mich mein Licht in die Winde zu werfen.
Mein Astralleib besteht nur aus Nebel und Nerven
und klammert sich inwendig fest an die Schläfen.
Wir warn nach Gemeinsamkeit dürftig und süchtig,
erdrückten sie als sie sich einstellen sollte,
beeilten uns alles zu ändern, warn tüchtig
dabei zu vollführn was das Glück von uns wollte.
Das Glück das uns band war so gierig wie flüchtig.
Es stiftet nur Unruh bevor es sich trollte.
V.
Es stiftet nur Unruh, bevor es sich trollte,
das Wunder das aus allen Wolken erstrahlt
und es zuließ, daß wir in das Morgen gemalt
was auch immer ein Mensch von dem anderen wollte.
Die Wünsche vermehrten sich alegorhythmisch
und münden in schier übergroßem Verlangen
bis ich mich klammheimlich urplötzlich beim Bangen
erwische und sch vorsichtshalber den Kitt misch.
Die Umstände waren uns dieses Mal gütig.
Wir haben zu viele Gedanken geklittert.
Vielleicht am Beginn einfach zu übermütig
sind uns viel zu schnell unsre Stirnen zerknittert,
begegnen einander chamäleonblütig,
zwei Schritte nach vorn, einen rückwärts gezittert
VI.
Zwei Schritte nach vorn, einen rückwärts gezittert
verloren wir bald jede Richtung und Ziele,
verfolgen wie einsame Wale die Siele,
die seicht, sich obwohl sie die Meere gewittert
dich Freiheit und Lebensraum vorgestellt hatten,
sich nicht mehr an weitere Zukunft gewöhnen.
Wir wollten das Leben hier abschließend krönen
und nicht einen kleinlichen Fehler gestatten.
Wir haben uns selbst in die Fallen verstrickt,
denn wir wollten uns wortlos verstehen und necken.
Ich fühle nicht was du im Herbstlaub erblickt
und du hörst nicht was ich in der Abendluft
schmecke.
Wir sehn nur, daß wir nicht einander geschickt,
betrachten wir uns zögernd von halber Strecke.
VII.
Betrachten wir uns zögernd von halber Strecke,
dann ahnen wir wie unsre Zukunft bestellt ist.
Ein Blick der im Zwischenraum wortlos zerschellt ist
und Angst raubt die Träume, die wärmende Decke.
Noch sehn wir verträumt aneinander vorbei
und es sind doch nur zwei Schritte Schweigen
dazwischen.
Bemüht unsre Spuren der Angst zu verwischen
entfernen wir uns und gehen wieder entzwei,
verbringen die Nacht unsern Tagtraum zu morden
umkreisen uns, stolpern an jeglicher Ecke
und sind uns aus Vorsicht noch fremder geworden.
Daß ich mich schon bald vor mir selber erschrecke
verleiht mir kein Treu- oder Tapferkeitsorden.
Zu spät, daß ich dich aus den Alpträumen wecke.
VIII.
Zu spät, daß ich dich aus den Alpträumen wecke:
Du hast sie längst mit in den Tiefschlaf genommen.
Zwei Irrlichter sind mit den Sternen verschwommen.
Daß ich mir mit derlei den Himmel beflecke,
verführt daß ich Schuld oder Gläubiger suche.
Ich glaube die Angst kam verfrüht und verfehlt,
hat mich doch bis zur innersten Zelle beseelt,
bis ich alles was kommt nur noch flieh und
verfluche.
Du drehst dich und hast jede Richtung verloren.
Wir sind in die älteste Falle geschlittert.
Wir hatten uns gar nicht zu vieles geschworen
und doch ist uns so viel Vertrauen zersplittert,
das uns aus nichts andrem als Hoffnung geboren.
Dein Lidstrich verwischt, wäßrig, tränenverwittert.
IX.
Dein Lidstrich verwischt, wäßrig tränenverwittert,
begehrt er den fühllosen Stein zu beneiden,
doch muß sich mit quellenden
Lidern bescheiden,
bemüht, daß die Augenpartie
nicht verbittert.
Ängste und Müdigkeit stürzen mich bleiern
zurück aus dem Kreis unter manchen zu jeden.
Was wollten wir nicht alles tun und bereden,
sind stets das Gemeinte bemüht zu verschleiern.
Wir wollten was anlag nur etwas vertagen
und merkten zu spät das wir alles verjähren.
Wir wollten doch nicht wieder jammern und klagen,
begannen den Jammer für uns zu verklären.
Der Anblick des Glücks schlug uns hart auf den
Magen.
Wir lassen die edelsten Tropfen vergären.
X.
Wir lassen die edelsten Tropfen vergären.
Zunehmend schmeckt uns Gewonnenes bitter
und heimlich erflehn wir ein klares Gewitter,
doch so leicht ist unser Spiel nicht mehr zu klären.
Uns bringen die Schwüre nur drückende Zinsen,
wir können einander die Schuld nicht verrechnen.
Der Kaffeesatz hieß uns nichts gutes im blechnen
Geschirr und wir lasen uns Weisheit aus Binsen.
Uns hält nur die Angst vor dem nächsten Kapitel.
Wir sind uns mehr Irrlicht als leuchtender Stern.
Wir fallen der Nacht in ihr schwärzestes Drittel.
Was du nicht verstehst und was ich nicht mehr lern:
Was du mir erzählst und was ich dir vermittel.
Wir weinen nicht Wein, wir entführn uns von Fern.
XI.
Wir weinen nicht Wein, wir entführn uns von Fern,
Erinnerung in Raum und Zeit zu bewahren.
Ihr Licht überdauert die Sterne in Jahren.
Ich weiß es doch fühls nicht, ich leugne und lern.
Wir wollten im Himmel die Zukunft erfahren,
doch sehn nur vergangenes in tausend Sonnen,
die irgens aus aschkalten Stäuben geronnen,
dem Flugsand aus längst ausgebrannten Quasaren.
Viel gutes und böses liegt unter der Erde.
Ich denk an die Zeiten aus uralten Maren.
Wir zeugen einander in Wort und Gebärde,
bekennen und binden uns selber den Bären.
Vorm Schicksal liegt unkommentiert die Beschwerde.
Zu müßig, so spät noch die Schulden zu klären.
XII.
Zu müßig, so spät noch die schulden zu klären.
Wir hätten viel mehr, würden wir uns genügen.
Wir grübeln zu viel und viel denken heißt lügen,
sich selbst gegenüber, die Welt zu beschweren.
Wir übten so fleißig die Zunge zu schärfen,
daß uns nicht das kleinste Detail mehr entging
und wir klitterten sorgfältig jegliches Ding.
Wir haben einander doch nichts vorzuwerfen
und was und verbindet das ist doch noch weit mehr
als das, was uns trennt, sehn den Weg und verklär’n,
beharren, daß Glück für uns bald an der Zeit wär.
Wir wünschen ´nen leichteren Tag, doch erschwer’n.
Den Alpträumen folgt irgendwann eine Lightmare.
Uns leuchtet Vergebung, wir geben so gern.
XIII.
Uns leuchtet Vergebung, wir geben so gern,
bemühen uns nachträglich Vorsatz zu bessern.
Wir läutern die Laster in Königsgewässern,
vergelten den Glauben mit Hohn und verheern.
Die Schutzengel woll´n auf dem Narrenschiff meutern,
und sind doch auch selbst in Not nicht mitzusinken.
Zurück bleibt ein Gruß und verhaltenes Winken.
Wir bauen ein Luftschloß aus rauchenden Kräutern.
Wie ungeschickt ich manche Möglichkeit händel,
die Chancen vertue. Und all die konträren
Versuche, das ich unsre Fäden verbändel
Wir beten vor imaginären Altären,
wir wünschen uns Weihrauch, zerreiben Lavendel.
Wir werben um das, was wir selbst gerne wären.
XIV.
Wir werben um das, was wir selbst gerne wären.
Wir waren des anderen Träumer und Traum
und bedeuten im gleichen Maß Inhalt und Raum,
doch entflohen zu schnell allem nur ungefähren,
verstanden kein Wort aus dem Hintergrundrauschen.
Zu vieles bedacht heißt: Die Liebe betrogen,
den Anfang vertan und nur Schlüsse gezogen
aus angst das wir haptische Täuschungen tauschen,
zersieden das Hautsalz, zerreiben den Zunder.
Begehre den Geist und den Körper, bekehr ’n
auch heute nicht zu meinem Ratschlag, der runder
und hoffe, daß ich nicht das wundern verlern,
mich doch immer wieder verwundet verwunder.
Streulicht der Werbung verscheucht uns den Stern.
XV.
Es kam wie es war und es ging wie es wollte,
ein freies Gefühl, wie Gefühle zu sein sind
durchweht unsre Körper, vertraut wie der Heimwind.
Es stiftet nur Unruh bevor es sich trollte
Zwei Schritte nach vorn, einen rückwärts gezittert
betrachten wir uns zögernd von halber Strecke.
Zu spät, daß ich dich aus den Alpträumen wecke.
Dein Lidstrich verwischt, wäßrig, tränenverwittert.
Wir lassen die edelsten Tropfen vergären,
wir weinen nicht Wein, wir entführn uns von Fern.
Zu müßig so spät noch die Schulden zu klären.
Uns leuchtet Vergebung, wir geben so gern
und werben um das was wir selbst gerne wären.
Streulicht der Werbung verscheucht uns den Stern.