* 1972
Der Sommer schwand
mit stillem Gruß,
den Blick zurück
auf Blau und Flieder.
Die Vögel richten
ihr Gefieder,
und es zieht, wer
ziehen muß.
Es streckt sich
früh die Sonne nieder.
Der Winter steht
mit einem Fuß
schon fest im Land;
aus einem Guß
schließt sich der
Kreis auch dies Jahr wieder.
Man kann den
Herbsttag doch beneiden,
kalt und dunkel
schon umringt,
schafft er’s doch,
wenn auch bescheiden,
daß dir eine Brise
winkt
und dir zeigt, bei
allem Leiden,
daß schon Wenig
Freude bringt.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen in
der Edition Thaleia
* 1972
Eine Insel ohne Meer,
Kreise ohne Mittelpunkt
und ein Feuer, daß nicht
funkt,
Freundschaft, die nicht immer
fair,
und ein Weg, der nicht zu
gehn,
Bewegung ohne Energie,
geplanter Einsatz von Magie,
Paradoxa zu verstehn,
ein Schiff zu baun, das nicht
zu senken,
eine Faust die nicht geballt,
und Leben ohne Tod zu denken,
echter Frieden durch Gewalt,
Gegenleistung bei Geschenken,
Liebe unter Vorbehalt.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972
Erste Zeile,
erste Strophe,
zwischen Ruf und
Widerruf
und Zwischenruf
und wieder Ruf
Letzte Zeile,
erste Strophe.
Die Schwierigkeit
von dir zu schreiben:
Leeres Blattwerk
gähnt vor Nichts.
In der Mitte des
Gedichts
nur Graphit auf
Weißes reiben.
Erste Zeile,
dritte Strophe:
Keine Zeile will
gelingen.
Dritte Zeile,
dritte Strophe:
Keine Silbe will
mehr singen.
Zweite Zeile,
letzte Strophe:
Muß es jetzt
zuende bringen.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972
Gib ein andres
Wort für Sehnsucht.
Wortlos das
Schlingern der Sprache,
ohne Bilder,
Traumlandbrache,
wenn mein Auge
nachts nach Sehn sucht.
Don Quixote
bleibt ohne Glück,
Hoffnung jeden
Abend teurer.
Sprachlos kehrt
der Abenteurer
zur ersten
Person zurück.
Kein Happy End,
kein Grand finale,
wenn ich alte
Tage letze
bis zur
Mittnacht. Manche Male
steht der
Ausdruck gegen Sätze.
Unbeschreiblich
bleibt der fahle
Zustand, leer
die Sonnennetze.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972
Der Groschenmond
fällt in den Schacht
der dunklen
Landschaft tiefen Wunde.
Morgen graut die
letzte Stunde
viel zu langer
Ändernacht.
Fortgezogen sind
die Schwalben,
geblieben nachts
der Silberstreif.
Im Großen Ganzen
wird nichts reif.
Ich will doch
nur mein All enthalben.
Unser Großen,
unser Ganzen,
Flicken am
Gezeitenbruch
und das Frieren
und das Tanzen,
Glauben jedem
Hoffnungsspruch,
in jedes ENDE
WENDE stanzen,
bleibt am Ende
nicht genug.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972
Trau nicht allem
was ich schwöre:
wenig liegt in
meiner Hand.
Versprich mir
nichts, denn mein Verstand
sieht nur die
Fallen, ich gehöre
nicht zu den
Korallenfischen,
bunt und
nesselresistent.
Leicht, wo mich
noch keiner kennt
meine Spuren zu
verwischen.
Pandorra kam und
sie ersann
mein Glück,
bevor sie es vergießt
und gibt mir nun
fünf weiche Zeichen.
Ich nehme sie
und schreib sodann,
nach Engel,
Putte, Sonne, Biest
ein altes Wort,
es dir zu reichen.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen in
der Edition Thaleia
* 1972 die
ständig zu mir ins Zimmer funkeln,
die mich im
Schlaf durchwühlen mit ihren Tatzen.
Laßt mich nicht
allein im Dunkeln.
Der Mond starrt
abwartend zu mir durchs Fenster,
so teilnahmslos
und gänzlich unbeteiligt.
Sag, träum ich
oder sehe ich Gespenster.
Niemand mit
Verstand mir das bescheinigt.
Nichts gleicht
dem Leben eines andern,
jetzt ist’s
soweit wie’s komme mußte
Vielleicht werde
ich jetzt verrückt,
ich stoß jetzt
vor bis zu den Rändern
der Existenz,
doch was ich gerne wüßte:
Wie man durchs
Leben kommt, doch ungebückt.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
ZaunköniG Einen Augenblick lang tanzen
* 1972 gegen
Alltagsschwere Ruhe.
Mein Brot, mein
Herz und ein Paar Schuhe:
Ich pack besser
meinen Ranzen.
Trau mir nicht,
dir nichr und nicht dem
süßen Duft von
Kannenpflanzen,
nicht dem Gott,
nicht den Finanzen,
die ich brauche
und verfem.
Zahl soviel
Träumen Alimente,
daß sie mal
erwachsen werden
und ich sie mal
wiederseh.
Manchmal
schimmern mir Fragmente
aus den Wolken,
aus der Erden,
wissen nicht, ob
ich versteh.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972
Mein Schatten
verzog sich zurück auf den Rumpf
und reißt mir
die Mundwinkel wieder zuschanden.
Wie
Spinnengewebe, wie alte Girlanden;
das Band unsrer
Sterne wirkt glanzlos und stumpf.
Es macht keinen
Spaß, an dem Blechnapf zu reiben;
es ist nicht die
Zeit, daß ich Wunder erlerne.
Wir stehen zu
lang und zu stumm und zu gerne
im ständigen
Fallout der Sterne. Wir bleiben
uns fern und
verwandt, und der Tag ist wie Nacht, mit
beschlagenem Himmel,
Belag auf dem Mond,
der beschämt und
verstaubt wieder in diesen Schacht glitt,
nur daß er die
Trauernden vor sich verschont.
Ein König der
Nacht, der nur an seiner Macht litt,
vergoß manche
Stunde und war es gewohnt.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia
* 1972 Meinem
Ruf fehlt die Entsprechung.
Schweigen ohne
Unterbrechung.
Das Wort, das
ich für dich gedacht,
alles was mein
Leben ausmacht,
überspannt der Dämmerbogen.
Wahres wirkt
posthum gelogen.
Trauer aller
Tage Fracht,
präsentiert in
dünnen Scheiben.
Ich verlier mich
Stück für Stück.
So konnte es
nicht länger bleiben.
Ich muß erst zu
mir zurück.
Gern würd ich
dir anders schreiben
Wie dem auch sei
– ich wünsch dir Glück.
Aus
„Zinnoberrauschen“
erschienen
in der Edition Thaleia