1769 – 1840
Aber –
sagte einer meiner Freunde – viele Sonette von Petrarch
sind doch in der That gar trefflich. – Allerdings! antwortete ich. – Nur nicht
darum, weil es Sonette sind, sondern dessenungeachtet. Hätte dieser Dichter
Geschmack genug besessen, den Inhalt seiner Sonette in andere, passendere
Formen zu gießen, so würden die meisten seiner Gedichte der Art, viwelleicht
alle, noch schöner gerathen seyn. Die größte Kunst des Dichters besteht ja eben
darin, für jeden Stoff die bequemste, passendste Form ausfindig zu machen;
selbst die Geschicklichkeit des bloßen Handwerkers beruhet hierauf. Was würde
man von einem Schuhmacher denken, der alle seine Schuhe über einen und eben
denselben Leisten schlüge, gleichviel, ob sie für einen Bewohner von Brobdignac
bestimmt wären, oder für einen Lilliputer. Der Kerl ist ein Pfuscher! würde man
sagen. Und wie könnte denn überhaupt ein reitzendes Verhältnis seyn zwischen
einem Doppelquartett und einem dito Terzet, aus welchen beiden bekanntlich das
Sonett besteht? Es fehlt ja dieser Form ganz und gar an Grazie und Anmuth;
nicht einmal symmetrisch ist sie. – „Aber künstlich doch“ – Ganz recht!
künstlich, nicht kunstgemäß. Dieses Eine Wort bricht ihr den Stab. Künstelei
und Kunst – welch ein gewaltiger Unterschied zwischen beiden! Jene prunkt daher
mit zusammengeflickten bunten Lappen, unechten Perlen und Steinen: - diese
bedarf, der auftauchenden Liebesgöttin gleich, nichts um zu gefallen, als ihrer
eigenen holden Reize.