Moritz Graf                                Gepanzerte Sonette

von Strachwitz

1822 – 1847

I

 

So brecht denn auf, ihr meines Wehes Quellen!

Schießt mächtig, klangvoll aus des Herzens Grunde,

Und mit des Stromes fluth’gem Liedermunde

Laßt brausend auf des Schmerzes Töne schwellen!

 

Soll nimmer Licht der Seele Nacht erhellen?

Reicht Minne nie dem Lied die Hand zum Bunde?

So schall’ es auf, wie aus dem Wogenschlunde

Im Sturmesheulen brausen Strudelwellen.

 

Und darf die Lieb’ es nicht in Rosen hüllen,

So soll es starren denn von Schwert und Lanze,

Und Schlachtgewitter soll es mächtig brüllen,

 

Und stürmen soll’s im Kriegeswaffentanze,

Mit zorn’gem Donner weit die Lüfte füllen,

Und blitzen hell im lichten Panzerglanze.

 

 

II.

 

Als Gott der Ew’ge niederwärts gestiegen,

Sein Hauch geformt den Geist, den Himmelssprossen,

Da hat er Flammenmuth, ihm eingegossen

Den Flammenmuth, zu kämpfen und zu siegen.

 

„Nicht magst du,“ rief er, „zagend unterliegen,

Vom Weh des Unglücks dräuend eingeschlossen,

Und fahren sollst du, wie auf Sonnenrossen,

Durch Nacht und Kampf, die grimm sich an dich schmiegen.

 

„Nicht vor den Mächt’gen sollst du knieend stehen;

Das Aug’ hoch hebend zu des Aethers Weiten,

Sollst frei du vor dem Gott der Freiheit stehen.

 

„Nicht mag ich kriechend Den im Staube sehen,

Den ich erschuf, der Herrscher aller Zeiten,

Denn nur der Freie mag zum Himmel schreiten.“

 

 

III.

 

Bist, Mann, geformt du aus so weichen Massen,
Daß dir die Schwertwucht lähmt die Weiberarme?
Kannst du nicht stehn im dichten Waffenschwarme,
Wenn Gott des Kampfes Wetter losgelassen?

 

Ha! nimmer soll dein Angesicht erblassen,
Gibt Worte kühn des freien Herzens Harme,
Den Worten Schwertesstreiche, zorneswarme,
Wenn Schmach und Unrecht krallend dich umfassen.

 

Denn nicht allein auf blut'gem Schlachtenfelde
Ziemt's kühn zu wallen durch des Streites Nächte,
Nein, auch die Harfe mag zum Schwerte werden;

 

Denn daß den Klang des Heldenschwerts er melde,
Im edlen Streit mit Waffenliedern fechte –
Das ist die Pflicht des Sängers auf der Erden.

 

 

IV

 

Schämst du dich, Deutscher, deines Vaterlandes,
Der mark'gen Heimat alter Heldensiege,
Daß du als Stelle deiner Säuglingswiege
Den Teil nur nennst des innigen Verbandes?

 

Sei's auf dem Stein des Ostseeklippenstrandes,
Sei's wo du schlürfst des Rheinweins Nektarzüge,
Der einz'ge Namen tut dir stolz Genüge
Vom Meere bis zum Schnee des Alpenrandes.

 

Denn von dem Leib von unerreichtem Ruhme
Sollst du ein Glied nicht räubrisch einzeln brauchen,
Sonst machst du ihn zum Stumpf, zum säftelosen.

 

Drum blühe fort, du deutsche Heldenblume,
Mild angeweht von deutscher Lieder Hauchen,
Die schönste von des Länderkranzes Rosen.

 

 

V.

 

Die alte Zeit mit ihrer Kraft, der reinen,

Mit ihrem Lied aus tiefen Herzenstrieben,

Mit ihrer Treue, ihrem Feuerlieben,

Die mag mir oft als liebes Bild erscheinen.

 

Uns heiße Thränen möcht’ ich klagend weinen,

Bei alter Mähr’ von deutschen Schwerteshieben,

Von Minnehuld, die fest im Tod geblieben,

Mit Blut besiegelnd ihres Bunds Vereinen.

 

Die Treue schwand, die Tod nicht trennen konnte,

Sie floh hinweg, vom Zeitensturm verschlagen,

Als sie nicht mehr im Rittermuth sich sonnte.

 

Die Minne starb im Hauch der feigen Lüste,

Der Sänger blieb mit seiner Lieder Klagen

Ein grünes Eiland in der Sandeswüste.

 

 

VI.

 

Es schläft im Busen, in dem deutschen, treuen,
Das Wort der Wahrheit, das noch immer bebte;
Was in der Brust in kühner Wahrheit lebte,
Das sollst du mutig in die Lüfte streuen.

 

Und edel, mächtig, mit dem Zorn des Leuen
Soll es zerreißen, was die Falschheit webte;
Ob Meer und Erde wild dawider strebte,
Soll's selbst das Donnerwort der Macht nicht scheuen.

 

Frei brüllt das Tier sein Zornesheulen grimmig,
Der Mann soll reden, wie's der Geist geboten,
Nicht flüstern, wenn im edlen Zorn er siedet.

 

Und ob der Falschheit Zungen tausendstimmig
Mit Tod und Ketten mächtig ihn bedrohten,
Der Wahrheit ward von Gott kein Band geschmiedet.

 

 

 

VII.

 

Im Fluggewimmel meiner Traumgedanken,
Wenn ich geforscht im Ruhm von alten Tagen,
Hab' ich gesehnt mich, Helm und Schwert zu tragen,
Ein Ritter frei im Schlachtenwogenschwanken.

 

Aus dem Geschlecht, dem kraftlos feigen, kranken,
Möcht' ich mich heben stolz mit keckem Wagen,
Dann möcht' ich hell die Ritterharfe schlagen,
Wenn nicht die Fesseln mehr den Geist umranken.

 

Alltäglichkeit, du Pest der freien Klarheit,
Die du erschlaffst die Nerven des Gesanges,
Die du erlähmst die Geisteskraft, die hohe,

 

Dich brechen möcht' ich und zur Sternenwahrheit
Aufschwingen mich im Braus des Sphärenklanges,
Denn in Gemeinheit stirbt des Helden Lohe.