Karl Eberhard Thorbecke

 

Ihr sangt, man reicht’ in goldenen Pokalen

Euch für das Lied den Trank der süßen Labe,

Ihr priest das Haus, wo solches kleine Gabe,

Dann hochbeglückt, weil’s solchen Dank könnt’ zahlen.

 

Mit goldner Kette läßt sich nicht bezahlen

Die hohe Gunst, daß man am Lied sich labe,

Drum weih’ ich hier, das Beste was ich habe,

Den ersten Trunk, euch, süße Provenzalen.

 

Ist ganz nun was ihr sangt, verhallt, verklungen? –

Der liebe Glück sucht Töne, weilt nicht länger

Wie sie; die fröhl’ge Kunst ist auch verschwunden.

 

In’s Heiligthum der Poesie gedrungen,

Dies waret ihr, erfindungsreiche Sänger,

Euch waren Kunst und Leben stets verbunden.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Auf ein Kloster

                                                               im Piemonteschen

 

Andächtig sich und einsam zu erbauen,

Und fern von dem Geräusch der Welt geschieden

Und von dem Laster, das da lebt hienieden

Mit denen, die auf Christum nicht vertrauen;

 

Zum klaren blauen Himmel stets zu schauen,

Der gnädiglich den süßen, stillen Frieden

Den reuigen und büßenden beschieden,

So thaten dich andächt’ge Christen bauen.

 

Dort über alle Eitelkeit erhaben,

Dem Sitze nah, wo Gottes Mächte thronen,

Möcht’ ich mich an des Himmels milde laben;

 

Auf jedem Felsen, wie die Adler nisten,

In jenem schönen Kloster möcht’ ich wohnen:

O großer, reiner Sinn der frommen Christen!

 

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke

 

Oft wenn ich Winter floh, hold wieder lachte

Natur, die süße Freude zu versöhnen,

Bey mir als Knaben unter Nordens Söhnen

Unnennbar eine Sehnsucht da erwachte.

 

Als später ich’s verstand und klarer dachte,

Nährt’ ich mich mit des Südens vollen Tönen,

Bis endlich zu dem Lande alles Schönen

Mich die Erfüllung heißer Wünsche brachte.

 

Und wenn ich nun des holden Glücks mich freue,

Dem köstlichen Momente hingegeben

Hinblickte auf des Meeres ferne Bläue,

 

Dann fühl’ ich, wenn sich heftiger erheben

In mir die Wünsche wieder und auf’s neue,

Nur eine ew’ge Sehnsucht ist das Leben.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke

 

Nach heitrer Meeresstille, klaren Tagen,

Wie sich erzürnte Stürme rings erhoben,

Begann die See, so lächelnd erst, zu toben,

Und an die Ufer schäumend wild zu schlagen.

 

Den kleinen Nachen sah ich kühn sich wagen

Hinaus, tief unten bald, bald wieder oben,

Deß auf den Wogen, trotzend ihrem Toben,

Das große Meerschiff ward dahin getragen.

 

Da sah ich Menschen viel am Ufer stehen,

Sie schienen unverwandt auf’s Meer zu starren;

Dies Wunder glaubt’ ich ständen sie zu sehen.

 

Ich irrte, denn sie sahn nicht auf dies Wunder,

Sie suchten – dies war ihrer Blicke harren –

Nur Holz, des Meeres Auswurf, armen Plunder.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke

 

In schöner Stund’ auf herrlichem Balcone

Stand über mächt’gem Rhein ich hoch erhaben

Den Becher in der Hand, um mich zu laben,

Dem Bachus gleich, dem froh’sten Göttersohne.

 

Geleert warf ich ihn hin von meinem Throne,

- Der Freunde Namen waren drauf gegraben, -

Die schöne Fluth, sonst dürft’ ihn niemand haben;

„Dem Zecher dort am Meer, sprach ich, zum Hohne!“

 

Ich schmähte dich, verzeih mir’s, alter Zecher,

Ich, der so oft dein süßes Loos beweine,

Seh’ ich den goldnen Becher in der Fluth.

 

in mir des Lebens Gluth, den vollen becher

In meiner Hand, zum erstenmal am Rheine, -

Gewiß, o du verzeihst den Uebermuth.

 

 

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Johanna von Orleans.

 

Den hohen Sieg dem Herren zu ersiegen,

Wirst du von deiner Heerde weggenommen,

Und mußt dahin aus stillen Thälern kommen,

Wo hoch im Winde Gottes Fahnen fliegen.

 

Du eilst als Heldin fort von Sieg zu Siegen,

Und dämpfst des Krieges Wuth, die wild entglommen,

Bis endlich zu dem Sitze aller Frommen

Ein hart Geschick dich ruft nach blut’gen Kriegen.

 

Zum Feuertod die Feinde dich verdammen,

Befriedigung der Rache zu gewähren,

In Asche sinkt die schöne Sonne nieder.

 

Das reine Gold bewährt sich in den Flammen,

Sie können nur was sterblich ist verzehren,

Unsterbliches kehrt hell und klarer wieder

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      (nach dem portugiesischen)

 

Der Schwan, gewahrt er traurig bange,

Wie schon des Todes Stachel ihn verwunde,

Wie nie er mehr vom Todes Schmerz gesunde,

Singt er am öden Strand’ im schönsten Klange.

 

Wie nach dem Leben sehnlich ihm verlange,

Dies klagt er weinend in der Abschiedsstunde,

Sein Lied steigt aus des Herzens tiefem Grunde,

Sein traur’ges Ende feyert er im Gesange.

 

So, meine Herrin, wollt’ auch ich verschönen

Die Stund’, in der mein Glück ich hin sah scheiden,

Und daß nicht frohe Hoffnung mehr mir bliebe;

 

In süßen Harmonien, in zarten Tönen,

Verschmäht von Euch, sang ich in meinen Leiden

Von Eurer falschen Treu’ und meiner Liebe.

 

 

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Virginia

 

Wie sich im schönsten Schmuck die Rose füllet,

So blüht Virginia in der Schönheit Prangen,

Doch sagt’s die keusche Röthe ihrer Wangen,

Die reinste Unschuld liegt hier süß verhüllet.

 

Unreine Gluth den Appius erfüllet,

Ihn hält im Netz des Lasters List gefangen;

Er brüllet laut in gierigem Verlangen,

So wie der Tieger nach der Beute brüllet.

 

Da sieht der Tochter gräßliches Verderben

Der Vater, und es fühlt der große Krieger,

Der Tod kann einzig Rettung ihr erwerben.

 

Weg, blut’ger Dolch, du wehmuthvoller Sieger!

Die Keuschheit lebt, muß gleich die Schönheit sterben;

Entrissen ist die Beute so dem Tieger.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Junius Brutus

 

Frech ras’t die Tyranney und reißt zusammen

Das Heiligste, wagt schamlos selbst zu schänden

Die Keuschheit, und es stirbt von eignen Händen

Lukretia der Raub unkeuscher Flammen.

 

Den Brutus muß die That zur Wuth entflammen,

Mit einem Schlag das Unheil abzuwenden,

Doch muß das hohe Werk ganz zu vollenden,

O Schmerz! die eignen Söhne er verdammen.

 

Der Freiheit Sohn, bejammernswerther Vater,

Allein, zum Heil der Menschheit auserlesen,

Bist du des Staats erhabener Berather.

 

Des reinen Glückes blutbespritzter Bothe

Ist für die Zukunft deine That gewesen,

Rom’s Freyheit flieg im schönsten Morgenrothe.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Marcus Brutus

 

Cäsar steht herrlich da, von allen Großen

Der erste, sich und andre groß zu machen;

Doch Herrschsucht, Tyranney in ihm erwachten,

Er will die heil’ge Freyheit ganz verstoßen.

 

Da siehst du Brutus klein mit Recht den Großen,

Das Vaterland in des Verderbens Rachen;

Das muß in dir des Zornes Gluth anfachen,

Den Dolch der Rache ihm ins Herz zu stoßen.

 

Also mußt du den eignen Freund ermorden;

Und aus der That, die du vollbracht mit Beben,

Ist für die Zukunft wenig Heil geworden.

 

Allein der Tugend eiserne Gebote

Hast du vollführt, dein Ruhm wird ewig leben,

Rom’s Freyheit sank im schönsten Abendrothe.

 

 

 

Karl Eberhard Thorbecke      Der Schwimmer am Meer

 

So oft ich seh’ am fernen Meer den Schimmer,

Der durch die dunkle Nacht so freundlich helle

Zu mir herüberstrahlt aus stiller Zelle,

Werf’ auch am Meer ich weinend hin mich immer.

 

Da seh’ ich’s wieder, und sonst kein Geflimmer

Von holden Sternen, auch des Mondes Helle

Nicht leuchtet auf der dunkelblauen Welle;

„Leander, denk ich, ha du kühner Schwimmer!“

 

O dürft’ ich doch wie du mein Glück erringen!

O wäre mild doch die nur, die ich liebe,

Und dürft’ ich durch die Fluthen zu ihr dringen;

 

Gern wollt’ ich, wenn der Morgen mich vertriebe

Aus ihrem Arm, auf’s neu’ vom Ufer springen

Wie du, ins Meer, ins tiefe Grab der Liebe.