1787 - 1862
... Die trefflichkeit der südlichen Gedichtsformen verkenne ich
gewiß nicht, aber ich glaube, wir müssen dieselben ganz anders gebrauchen, als
sie im Süden selbst gebraucht werden. Die südlichen Sprachen sind etwas für
sich, ein schöner Klang; die deutsche existiert nur durch den inwohnenden
Geist. Darum existiert z. B. ein deutsches Sonett bloß durch diejenigen
Gegensätze, Aufgaben und Auflösungen, welche die innere Form des Sonetts
ausmachen, und unser Sonett ist mehr malerisch als musikalisch. Hiedurch hört
das einfache Gedicht Sonett bei uns zugleich auf, ein leichtes Spiel zu sein,
es wird zum besonnensten Kunstwerk. Ohnedies sind die mechanischen
Schwierigkeiten unleugbar. Zwang aber und Seltsamkeit in einzeln Wendungen
heben wieder die Harmonie des ganzen Gedichts auf, und so entziehen sich jene
Gedichte bei uns dem allgemeinen Gebrauch; im Süden sind sie Blumen, bei uns
Juwelen. ...