1814 – 1881
Hinaus, hinaus aus diesen
kalten Steinen,
Hinweg von den verödeten
Arkaden!
Es lockt der Mai auf den
Kastanienpfaden
Zu sich zurück die
bildersatten Seinen.
Wie bleich, wie welk nun jene
Farben scheinen,
Zum Himmelsblau und Grün der
Promenaden,
Wie stumm zu den aufjubelnden
Rouladen,
Die aus den Büschen klingen,
aus den Hainen!
So eben hört’ ich aus den
lichten Blättern,
Die ängstlich noch als
königliche knistern,
Vernehmlich eines Sprossers
Kehle schmettern:
Die Kunst ist fremd und tot
und ohne Seele,
Kann sich die Freiheit ihr
nicht treu verschwistern;
Das ist, als ob dem Mai die
Stimme fehle!
1814 – 1881
Es fragt mich einer, wie’s der
Brust ergangen,
Die jenes Wort im Königsgarten
rief,
Und ob sie nicht schon hinter
Schloß und Stangen
Ihr Frühlingsräuschlein
abgekühlt verschlief?
Ach nein, mein Freund! Das
Abenteuer lief
Friedfertig ab und ohne groß
Belangen,
Der Sänger schwieg, nachdem
er, hoch und tief,
Zehnmal sein Lied vergeblich
angefangen.
Dicht unter ihm und seiner
schweren Klage
Ging achtlos das geputzte Volk
vorbei,
Vom Orient schwatzend und der
Zuckerfrage.
Ihn überschrie die
Liebesdudelei
Aus einem nahen
Spatzen-Lustgelage
Und zahmer Papagei’n
Lobhudelei...
1814 – 1881
Ich fühle wohl, daß ich mit
jedem Liede,
Womit ich dein geliebtes
Bildnis schmücke,
Den Pfeil mir tiefer in die
Wunde drücke
Und fester meine süße Fessel
schmiede.
Doch wenn ich nun verzweifelt
mich entschiede
Und bräche Pfeil und Fessel
rasch in Stücke,
So wär die Freiheit weder mir
zum Glücke,
Noch blühte mir aus jähem Tod
der Friede.
Zwar reißt der Held voll
trotziger Verachtung
Den Pfeil aus seiner Brust und
flieht in Fluten
Das Leben fliehn mit stolzer
Selbstbetrachtung.
Doch schöner wills den
Liebenden gemuten,
In duldender und zärtlicher
Verschmachtung
Langsam und tropfenweise zu
verbluten.
1814 – 1881
Unmöglich! Ach, die Liebe war
es nimmer,
Es war der Haß, der dieses Wort
erdachte;
Die Liebe war’s, die immer
möglich machte,
Was aller Welt unmöglich
schien für immer.
Fragt drum Leander, den
beherzten Schwimmer,
Fragt Eginhard, der seines
Kaisers lachte,
Als ihn Schön-Emma auf den
Schultern sachte
Wegtrug durch falschen Schnee
und Mondenschimmer.
Erst seit die Liebe aus der
Welt verschwunden,
Verschwinden auch die Zeichen
und die Wunder,
Und nun wird selbst das
Mögliche unmöglich.
Roth thät’, es würd’ ein neues
Wort erfunden
Und neue Lieb’! Der Teufel
hol’ den Plunder:
Nicht’ mal ein Reim ist auf
unmöglich möglich.
1814 – 1881
Ein kleines Eiland gönnet mir
in Güte,
Den Wellen und dem Sturme
abgezwungen,
Damit ich drauf in
Friedens-Dämmerungen
Das Paradies verschwieg’ner
Liebe hüte.
Ach, schon so manche stille
Herzens-Blüthe,
So manches Lied, mißrathen und
gelungen,
Hat der empörte Strom der Zeit
verschlungen,
Und immer ärmer werd’ ich im
Gemüthe.
Ich weiß, dies eiland auch
kann nicht bestehen,
Und wie es aufgetaucht, so
wird es eben
Im Wasser über Nacht versinken
gehen.
Dann sollt ihr wieder mich im
Strudel streben,
mich mit den Brüdern wieder
rudern sehen
Und mit dem Strome streiten um
mein Leben.
1814 – 1881
Leicht fehlt ein Wandrer
seines Wegs, noch eher
Ein Dichter seiner Zeit und
seiner Sätte:
Was wäre Der, wenn er gesungen
hätte
Zu Florenz, an dem Hof der
Mediceer!
So hieß er nur ein kalter
Formendreher,
Der Marmormensch mit seiner
edlen Glätte,
Und schwand im Dunstkreis
unsrer kleinen Städte,
Ein trunkener auf zehn
betrunkne Seher.
Die einz’ge Heimath, die er je
besessen,
Ist jenes frühe Grab, das weit
entfernte,
In den geliebten Lorbeern und
Cypressen.
Und kaum erblühet ihm als
späte Ernte
Im trägen Deutschland, rasch
nur im Vergessen,
Der Jugend Dank, die dichten
von ihm lernte!
1814 – 1881
Besänftigt ist das stürmische
Gelüste,
Das sonst auf hoher See
dahingeflogen,
Das oft mein schwankes Boot
hinabgezogen
An der Sirene felsenharte
Brüste.
Ich wäre thörigt, wenn nicht
längst ich wüßte,
Wie ich geplündert ward und
wie betrogen,
Und wenn mich nicht hinweg aus
Wind und Wogen
Verlangte sehnlichst nach der
grünen Küste.
Soll nun das Schicksal mich so
höhnisch strafen
Und für der Irrfahrt wüste
Abenteuer
Mich scheitern lassen, nah’
dem schönen Hafen?
Nein, lisch nicht aus, du
letztes Rettungsfeuer,
Geliebtes Auge, leuchte deinem
Sclaven,
Geliebte Hand, sei deines
Wrackes Steuer!
1814 – 1881
O dürft ich dir mit
sehnsuchtsvollem Bangen
In das umflorte Strahlenauge
sehn;
O könnt ich deine fieberheißen
Wangen
Mit weicher Kühlung zephirlind
umwehn.
Wie wollt ich still an deiner
Seite stehn
Und über deinen Atemzügen
hangen
Und nimmer von dem
Schmerzenslager gehn,
Das herrisch deinen süßen Leib
umfangen.
Doch ich bin krank, mein
Liebchen! krank, wie du, -
Und kann dir nur aus meinen
öden Wänden
Als Boten diese kleinen Lieder
senden.
Die schweben dir mit leichtem
Gruße zu
und winden um geschiedne
Krankenbetten
Der stillen Liebe treu
verschlungne Ketten.