Franz Dingelstedt

1814 – 1881

Hinaus, hinaus aus diesen kalten Steinen,

Hinweg von den verödeten Arkaden!

Es lockt der Mai auf den Kastanienpfaden

Zu sich zurück die bildersatten Seinen.

 

Wie bleich, wie welk nun jene Farben scheinen,

Zum Himmelsblau und Grün der Promenaden,

Wie stumm zu den aufjubelnden Rouladen,

Die aus den Büschen klingen, aus den Hainen!

 

So eben hört’ ich aus den lichten Blättern,

Die ängstlich noch als königliche knistern,

Vernehmlich eines Sprossers Kehle schmettern:

 

Die Kunst ist fremd und tot und ohne Seele,

Kann sich die Freiheit ihr nicht treu verschwistern;

Das ist, als ob dem Mai die Stimme fehle!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Franz Dingelstedt

1814 – 1881

Es fragt mich einer, wie’s der Brust ergangen,

Die jenes Wort im Königsgarten rief,

Und ob sie nicht schon hinter Schloß und Stangen

Ihr Frühlingsräuschlein abgekühlt verschlief?

 

Ach nein, mein Freund! Das Abenteuer lief

Friedfertig ab und ohne groß Belangen,

Der Sänger schwieg, nachdem er, hoch und tief,

Zehnmal sein Lied vergeblich angefangen.

 

Dicht unter ihm und seiner schweren Klage

Ging achtlos das geputzte Volk vorbei,

Vom Orient schwatzend und der Zuckerfrage.

 

Ihn überschrie die Liebesdudelei

Aus einem nahen Spatzen-Lustgelage

Und zahmer Papagei’n Lobhudelei...

 

 

 

 

 

 

 

Franz Dingelstedt

1814 – 1881

Ich fühle wohl, daß ich mit jedem Liede,

Womit ich dein geliebtes Bildnis schmücke,

Den Pfeil mir tiefer in die Wunde drücke

Und fester meine süße Fessel schmiede.

 

Doch wenn ich nun verzweifelt mich entschiede

Und bräche Pfeil und Fessel rasch in Stücke,

So wär die Freiheit weder mir zum Glücke,

Noch blühte mir aus jähem Tod der Friede.

 

Zwar reißt der Held voll trotziger Verachtung

Den Pfeil aus seiner Brust und flieht in Fluten

Das Leben fliehn mit stolzer Selbstbetrachtung.

 

Doch schöner wills den Liebenden gemuten,

In duldender und zärtlicher Verschmachtung

Langsam und tropfenweise zu verbluten.

 

 

 

 

 

Franz Dingelstedt

1814 – 1881

Unmöglich! Ach, die Liebe war es nimmer,

Es war der Haß, der dieses Wort erdachte;

Die Liebe war’s, die immer möglich machte,

Was aller Welt unmöglich schien für immer.

 

Fragt drum Leander, den beherzten Schwimmer,

Fragt Eginhard, der seines Kaisers lachte,

Als ihn Schön-Emma auf den Schultern sachte

Wegtrug durch falschen Schnee und Mondenschimmer.

 

Erst seit die Liebe aus der Welt verschwunden,

Verschwinden auch die Zeichen und die Wunder,

Und nun wird selbst das Mögliche unmöglich.

 

Roth thät’, es würd’ ein neues Wort erfunden

Und neue Lieb’! Der Teufel hol’ den Plunder:

Nicht’ mal ein Reim ist auf unmöglich möglich.

 

 

 

 

 

 

 

Franz Dingelstedt

1814 – 1881

Ein kleines Eiland gönnet mir in Güte,

Den Wellen und dem Sturme abgezwungen,

Damit ich drauf in Friedens-Dämmerungen

Das Paradies verschwieg’ner Liebe hüte.

 

Ach, schon so manche stille Herzens-Blüthe,

So manches Lied, mißrathen und gelungen,

Hat der empörte Strom der Zeit verschlungen,

Und immer ärmer werd’ ich im Gemüthe.

 

Ich weiß, dies eiland auch kann nicht bestehen,

Und wie es aufgetaucht, so wird es eben

Im Wasser über Nacht versinken gehen.

 

Dann sollt ihr wieder mich im Strudel streben,

mich mit den Brüdern wieder rudern sehen

Und mit dem Strome streiten um mein Leben.

 

 

 

 

 

 

Franz Dingelstedt                  Unter Platens Büste

1814 – 1881

Leicht fehlt ein Wandrer seines Wegs, noch eher

Ein Dichter seiner Zeit und seiner Sätte:

Was wäre Der, wenn er gesungen hätte

Zu Florenz, an dem Hof der Mediceer!

 

So hieß er nur ein kalter Formendreher,

Der Marmormensch mit seiner edlen Glätte,

Und schwand im Dunstkreis unsrer kleinen Städte,

Ein trunkener auf zehn betrunkne Seher.

 

Die einz’ge Heimath, die er je besessen,

Ist jenes frühe Grab, das weit entfernte,

In den geliebten Lorbeern und Cypressen.

 

Und kaum erblühet ihm als späte Ernte

Im trägen Deutschland, rasch nur im Vergessen,

Der Jugend Dank, die dichten von ihm lernte!

 

 

 

 

Franz Dingelstedt                 

1814 – 1881

Besänftigt ist das stürmische Gelüste,

Das sonst auf hoher See dahingeflogen,

Das oft mein schwankes Boot hinabgezogen

An der Sirene felsenharte Brüste.

 

Ich wäre thörigt, wenn nicht längst ich wüßte,

Wie ich geplündert ward und wie betrogen,

Und wenn mich nicht hinweg aus Wind und Wogen

Verlangte sehnlichst nach der grünen Küste.

 

Soll nun das Schicksal mich so höhnisch strafen

Und für der Irrfahrt wüste Abenteuer

Mich scheitern lassen, nah’ dem schönen Hafen?

 

Nein, lisch nicht aus, du letztes Rettungsfeuer,

Geliebtes Auge, leuchte deinem Sclaven,

Geliebte Hand, sei deines Wrackes Steuer!

 

 

 

 

Franz Dingelstedt                  Sympathie

1814 – 1881

O dürft ich dir mit sehnsuchtsvollem Bangen

In das umflorte Strahlenauge sehn;

O könnt ich deine fieberheißen Wangen

Mit weicher Kühlung zephirlind umwehn.

 

Wie wollt ich still an deiner Seite stehn

Und über deinen Atemzügen hangen

Und nimmer von dem Schmerzenslager gehn,

Das herrisch deinen süßen Leib umfangen.

 

Doch ich bin krank, mein Liebchen! krank, wie du, -

Und kann dir nur aus meinen öden Wänden

Als Boten diese kleinen Lieder senden.

 

Die schweben dir mit leichtem Gruße zu

und winden um geschiedne Krankenbetten

Der stillen Liebe treu verschlungne Ketten.